Zwei Schwestern
Bäume. Ein Baum muß auf diesem Hochlande eine solche Seltenheit sein, daß ich nun recht wohl begriff, daß er als ein vorzugsweises Merkmal der Wegerklärung angeführt werde; ich begriff es um so mehr, da die Bäume, welche sich mir eben darstellten, meinen Augen so unsäglich wohl thaten. Sie waren sehr groß, mußten bedeutend alt sein, und schienen in Kastanien, vielleicht mit Obstbäumen untermischt, zu bestehen. Auch das Mauerwerk sah ich, so viel es der Abend zuließ, zwischen den Bäumen hervor schimmern.
Ich ging auf dem Wege fort, und sah bald, daß das Thal sich nach Innen erweitere, und einen ziemlich offenen freien Plaz bilde.
Nach einer Zeit kam ich zu einem Garten, an dessen Gitterthore der Weg endete. Das Gitter stand offen, und ich ging in den Garten hinein. Ein breiter Weg führte in gerader Richtung auf das Haus zu. Wahrscheinlich, dachte ich, ist dieses das Haus, welches mir der Greis und das Mädchen als unter den Bäumen stehend und als Wohnort des Franz Rikar bezeichnet hatten - und ist es dasselbe nicht, so können mir wenigstens seine Bewohner angeben, wo ich Rikar finde. Ich ging also auf das Haus zu. Ich ging zwischen Kastanien, dann zwischen Obstbäumen, und endlich zwischen Gemüsebeeten und Lattenobst hin. Als ich an das Ende des Weges gekommen, und die einigen Stufen, die zu dem Hause empor führten, hinauf gestiegen war, befand ich mich an einem großen eisernen Gitter, hinter dem eine geräumige Halle war, wahrscheinlich der gemeinschaftliche Eingang des Hauses.
Der Abend war ganz still, hinter dem Hause hörte ich das Rauschen eines Springbrunnens, und in der Halle zündete ein altes Mütterlein eine Hängelampe an.
Die Fäden dieses Lichtes spannen sich in den Garten heraus, der durch sie auf einmal viel dunkler wurde. Die Züge des alten Mütterleins waren sehr schön, wie man sie oft auf italienischen Gemälden an Matronen antrifft, und in dieser Lage war das Mütterlein selber schier ein Gemälde, da es von oben herab recht schön beleuchtet wurde. Ich stand an dem Gitter, legte mein Angesicht zwischen die Stäbe, und sah hinein.
Als sie mit ihrem Geschäfte fertig war, erhob ich meine Stimme, und sagte: »Verzeiht, daß ich euch anrede; ich bin ein Fremder, bin erst in der Abenddämmerung hier angekommen, der Weg hat mich an das Gitter geführt, und ich möchte gerne eine Frage thun.«
Das Mütterlein wendete sich rasch von ihrem Schämel gegen mich und sagte: »So fragt nur.«
Dieses Wort hatte sie in einem reinen Italienisch gesagt.
»Ich suche einen Mann Namens Franz Rikar,« antwortete ich hierauf, »welcher hier irgendwo wohnen soll. Wenn ihr ihn kennt, oder sonst etwas von ihm wisset, so könnt ihr mir vielleicht Auskunft geben.«
»Freilich kenne ich ihn,« sagte sie, »und ihr dürft nicht mehr weit zu ihm gehen; denn er wohnt hier. Bleibt nur eine Weile stehen, ich werde es ihm sagen, daß ihn jemand sucht, und wenn er euch kennt, wird das Gitter aufgesperrt werden.«
Nach diesen Worten ging die alte Frau fort, und verschwand in dem Hintergrunde der Halle, war sie nun durch eine Thür hinein gegangen, oder über eine Treppe empor gestiegen.
Obwohl sie italienisch gesprochen hatte, hatte sie meine deutschen Worte doch sehr gut verstanden.
Ich blieb an dem Gitter und wartete.
Nach einiger Zeit kam die Frau wieder zum Vorscheine, und hinter ihr ging ein Mann, der eine brennende Kerze trug. Ich erkannte ihn sogleich, es war mein alter Zimmernachbar aus dem Gasthofe zur Dreifaltigkeit in Wien. Ich fand ihn ganz den nehmlichen, er hatte wieder schwarze Kleider, und der Frak sah aus, als wäre es derselbe, den er damals getragen hatte. Er ging über die Breite der Halle, das Licht vor sich her tragend. Als er zu mir gekommen war, hob er die Kerze in die Höhe und leuchtete mich an.
»Gott grüße euch, Herr,« sagte ich zu ihm, »ihr seid es schon, den ich suche; seht, ich habe Wort gehalten, und bin bei meiner Reise zu euch gekommen.«
»Ja wohl, Cornelia,« antwortete er, »den Mann kenne ich sehr gut, den kenne ich sehr gut, mache nur schnell auf.«
Das Mütterlein öffnete, und ließ mich hinein.
»Seid mir vielmal gegrüßt,« sagte er zu mir, »seid mir vielmal gegrüßt; es freut mich sehr, daß ihr mich alten Mann nicht vergessen habt, und gar zu mir auf die Haide herauf gegangen seid. Ihr habt mir immer Liebes gezeigt, seid immer freundlich gewesen, und nun kommt ihr gar in die Oede, mich zu besuchen. Seid mir vielmal vielmal gegrüßt.«
Mit
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