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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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ersten Nacht natürlich ist, zu ordnen. Namentlich nahm ich meine Ledertasche her, um sie auszupaken. Der kalte Braten, den ich als Lebensmittel mit auf meine Wanderung genommen hatte, war schon fast ganz eingetroknet und unbrauchbar. Ich wikelte ihn sehr sorgfältig in Papiere, und schloß ihn in eine Lade des Kastens ein; denn ich wollte ihn als Speise für die Fische meines Sees, denen ich ihn lieber gönnte, als den Wieseln der Haide, aufbewahren. Die Pistolen, das Fernrohr, die Weinflaschen, und anderes, was ich mit hatte, that ich gleichfalls aus der Ledertasche in eine Lade.
    Als ich so hin und her ging, hörte ich ein feines Pochen an der Thür, ich hatte es früher schon einmal zu hören geglaubt, ohne darauf zu achten, jezt aber ging ich zu der Thür, schob den Nachtriegel, der noch vor war, zurük, und öffnete.
    »Ist es schon erlaubt, herein zu treten?« fragte eine zarte schön klingende Stimme.
    »Allerdings,« gab ich zur Antwort, indem ich einen Schritt in das Zimmer zurük that.
    In der Lichtung des Thürfutters standen zwei Frauengestalten. Die Vordere erkannte ich, es war dasselbe alte Mütterlein mit dem schönen kleinfaltigen italienischen Bilderangesichte, das gestern in der Halle die Lampe angezündet, und mir dann meinen Freund Rikar geholt hatte. Sie trug mehrere sehr weiße und frische Linnen über den Arm, und hatte zwei kristallklare Flaschen mit Wasser in den Händen. Die zweite der beiden Gestalten, die durch die erste ein wenig gedekt war, war ein junges Mädchen von höchstens zweiundzwanzig Jahren. Die Wangen waren äußerst blühend und gesund, aber für die gewöhnliche Vorstellung von Schönheit viel zu viel gebräunt. Die Stirne war lichter, aber doch noch dunkel genug. Die Augen waren bedeutend groß und glänzend, und schienen mir in dem ersten Augenblike schwarz. Die dunkeln Hare waren vorne gescheitelt, und hinten in einem Geflechte mit einer goldenen Quernadel empor geheftet. Der Anzug war ein häuslicher und deutscher.
    »Ich bitte nur herein zu treten,« sagte ich.
    Sie gingen herein.
    »Lege nur die Linnenzeuge dort auf den Waschtisch hin, Cornelia,« sagte die jüngere, »stelle die Flaschen dazu, und dann bist du schon fertig.«
    Die Alte that, wie ihr befohlen worden war, und ging dann wieder fort.
    Das junge Mädchen war nun allein bei mir, es sah mich mit den großen Augen ruhig an, und sagte: »Ich bin die Tochter des Franz Rikar; Sie haben ihn einmal in Wien in einer langen Krankheit gepflegt und gewartet; er ist noch gestern, da Sie schon schlafen gegangen waren, zu mir in mein Zimmer gekommen, und hat mir gesagt, daß Sie da seien, und daß Sie vielleicht länger bleiben würden, ehe Sie Ihre Reise nach Italien wieder fortsezten. Ich bin also heute früh zu Ihnen gegangen, um Ihnen auf die herzlichste und innigste Weise, die es nur auf Erden gibt, zu danken, und Sie willkommen zu heißen.«
    »Ach, Fräulein,« antwortete ich, »was ich gethan habe, ist so einfach und natürlich, daß es keiner Rede werth ist.«
    »Es ist einfach und natürlich,« sagte sie, »viele Menschen würden so handeln; aber eben so einfach und natürlich ist es, daß derjenige, gegen den die Handlung gerichtet war, sich bedankt. Ich stehe gewöhnlich vor Sonnenaufgang auf, ich hatte mir gleich gestern vorgenommen, zu Ihnen zu gehen, und da ich heute in einer Verrichtung an Ihrem Zimmer vorbei ging, und Sie in demselben herum gehen hörte, holte ich mir die Amme Cornelia, daß sie zugleich besseres Linnen und Wasser mit herein brächte, und wir versuchten, ob wir schon zu Ihnen kommen dürften. Sie waren wirklich angekleidet, und somit danke ich Ihnen noch einmal, verehrter Herr, was Sie an dem Manne gethan haben.«
    »Ich bitte Sie sehr,« antwortete ich, »von dem Danke nichts weiter zu erwähnen.«
    »Der Vater hat mir auch gesagt,« entgegnete sie, »daß Sie ein Landwirth seien, daß Sie Felder und Gärten haben, und daß Sie von der Pflege dieser Dinge mit vieler Liebe und Wärme gesprochen haben. Sehen Sie, das ist sehr schön und lieb von Ihnen. Sie sind wahrscheinlich als Landwirth gewohnt, sehr früh aufzustehen, die andern schlafen noch, obwohl die Sonne schon aufgegangen ist; wenn es Ihnen daher nicht unangenehm wäre, so würde ich Sie vor dem Frühmale ein wenig herum führen. Sie sehen, ich bin darnach angekleidet.«
    Wirklich war sie zu einem solchen Zweke gut gekleidet. Ich hatte den Anzug, da sie so vor mir stand, schon früher bemerkt. Die Kleider waren kurz, und von

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