Zwei Schwestern
daß gerade, wenn ich jemanden sehen wollte, derselbe fort gehen würde.
Ich blieb also in dem Bette.
Mir fielen jezt auch die Worte des Hirtenknaben ein, daß Rikar so schön geige. Aber den Gedanken, daß es der alte Mann gewesen sein könne, der gespielt habe, verscheuchte ich gleich. Wie könnte er auch solche Töne hervor gebracht haben; das waren die Töne der Jugend, die noch in den Empfindungen große und glühende Maße hat, und über das Mögliche und Erreichbare hinausgeht; während das Alter blos um größte Genauigkeit, Reinheit und Art des Spieles frägt, ohne in der Empfindung weit über das Mittelmaß diesseits oder jenseits hinaus zu kommen. Und insbesondere kannte ich meinen Reisefreund zu genau, als daß ich ihm nur das Geringste von dem, was ich gehört hatte, zuzuschreiben vermocht hätte.
Die Musik hatte mich in der That zu sehr angegriffen, als daß ich sie gleich aus meinem Sinne hätte bringen können. Von einem Schlafen war daher keine Rede. Ich ging sie im Gedanken noch einmal durch, und senkte mich in die Seele, aus der sie gequollen sein mochte.
Ich hielt meine Ohren bereit, um sie, wenn sie doch wieder begänne, aufnehmen zu können, und sah hiebei auf die unklaren Dinge meines Zimmers, die in dem schwachen und noch nichts bedeutenden Schimmer des Mondes da standen.
Aber sie begann nicht mehr.
Zulezt übte doch die Natur ihr Recht, meine Gedanken wurden allgemach verworrener, und ich entschlief endlich.
Ich mußte sehr gut und ziemlich lange geschlafen haben; denn nach meiner Rechnung mußte die Musik bedeutend nach Mitternacht statt gefunden haben, und da ich erwachte, war es heller Morgen und die Sonne warf ihr Strahlenmeer durch meine Fenster herein. Ich war von meiner Feldwirthschaft her gewohnt, immer vor der Sonne aufzustehen, schämte mich daher vor mir selbst, und sprang schnell aus dem Bette. Ich war sehr ruhig, war gestärkt und heiter, wie ich es immer am Morgen bin. Daß ich wieder auf die Musik der Nacht dachte, war begreiflich; aber sie kam mir jezt nicht mehr so zauberisch vor, als in der Finsterniß. Vielleicht war sie auch nur in der Erinnerung ein wenig abgeblaßt, da jezt die erwachten Sinne anders, und von den klaren und scharfen Dingen des Tages in Anspruch genommen waren. Ich wusch mir Angesicht und Haupt, und begann mich anzukleiden. Während dieses Geschäftes ging ich auch mitunter an die Fenster, um hinunter zu schauen. Was ich gestern vermuthet hatte, war richtig: eine Terasse lag gerade unter meinen Fenstern. Sie enthielt Bänke, zwischen denen Kübel mit Orangenbäumen standen. Dann waren Weingeländer, Blumen und Zwergobst. Das alles war durch ein graues Gitterwerk von dem äußeren Garten getrennt. In diesem äußeren Garten standen Obstbäume, aber in ziemlichen Räumen von einander entfernt, und zwischen ihnen waren Gemüsebeete und wieder Blumen. Leztere aber waren sonderbarer Weise nicht zu Verzierungen verwendet, sondern sie standen alle nach Gattungen in großen einfärbigen Fleken beisammen. Da war nun einer hellroth, der andere blau, der dritte weiß. Jenseits des Gartens, der durch eine Mauer von rohen Steinen eingefaßt war, hörte die Baumpflanzung nicht auf, sondern es standen noch viele, je nach dem es der Grund zu ließ, bald dichter bald dünner beisammen, und zwischen ihnen lagen die grauen Steine der Gegend zerstreut. Außerhalb dem Ganzen sah ich wieder die Landschaft, die ich gestern den ganzen Nachmittag gesehen hatte, nehmlich den schwachgrünen Rasen und die grauen aus ihm hervorragenden Felsengruppen. Das Haus, in dem ich übernachtet hatte, mußte also am Ende einer Ortschaft liegen, oder es war das einzige in diesem Thale. Manche Anlagen um dasselbe mußten erst vor nicht langer Zeit gemacht worden sein; denn viele der Bäume waren noch sehr jung und schmächtig, und standen zwischen den älteren da. Selbst der Gemüsegarten mußte neueren Ursprunges sein; denn auch in ihm lagen zwischen den Pflanzen noch größere Stüke des grauen Steines, die man nicht hatte weg bringen können, oder die nur unterdessen noch da waren. Dies gab dem Garten ein seltsames, aber ich muß gestehen, malerisches Ansehen, da es die Einerleiheit, mit der uns unsere Gärten troz ihrer Uiberladung quälen, sehr eigenthümlich und fantastisch unterbrach. Daß ich als Landbewohner diese Dinge, wenn auch schnell, doch genau betrachtete, war natürlich.
Ich hatte mich endlich völlig angekleidet und ging in dem Zimmer herum, um manches, wie das nach der
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