Zwei Schwestern
ist gerade das Land wohlfeiler, als in bevölkerten Thälern. Was die kümmerliche Ernährung durch die Pflanzenpflege betrifft, so muß man sie sehr sehr gut betreiben, man muß die allerschönsten Pflanzen hervor bringen, man muß ihnen einen Markt suchen, und sie müssen Aufsehen erregen. Man muß schöne Blumen pflegen, namentlich jene schönen Blumen, welche den wohlhabenden Leuten sehr gefallen, die sie nicht selber hervor zu bringen verstehen, und mit Freuden bezahlen. Was endlich den Umstand anlangt, daß wir nur ein kleines Stük Land um das Haus besizen, so können wir ja nach und nach immer mehr erwerben, wie es unser Bedürfniß erheischt.« Es wohnte damals ein jugendlicher freundlicher Landwirth unten im Thale, der seine ererbte schlechte Besizung zur Verwunderung aller Menschen in reinlichen Stand gebracht und ihr Erträgniß sehr erhöht hatte. Diesen mochte Maria vor Augen gehabt haben. Am Nachmittage nahm sie auch den alten Mann mit dem Maulthiere, und ritt zu dem Landwirthe hinunter. Sie eröffnete ihm nach ihrer Art unsere ganze Lage, und erzählte ihm, wie alles gekommen sei. Am Abende kam sie wieder zurük. Sie saß auf dem Maulthiere gegen die rauhe Luft wohl verwahrt, und hatte einen großen Pak Bücher bei sich, die sie dem Thiere aufgeladen hatte. »Vater,« sagte sie, »morgen wird Alfred Mussar herauf kommen, er wird das Land untersuchen, und uns dann einen Rath ertheilen.« Noch an demselben Abende fing sie sehr eifrig in den Büchern zu lesen an. Am andern Morgen kam Alfred wirklich zu uns herauf, und sagte uns, was ihm das Mädchen anvertraut habe, und daß er den Boden ein wenig ansehen wolle. Er hatte auch einen Mann bei sich; mit diesem ging er auf dem Haidegrunde herum, ließ Erde ausheben, und ließ an verschiedenen Stellen Gruben graben. Als dieses geschehen war, kam er wieder in das Haus zurük und sagte, er glaube, daß Maria vollkommen recht habe, daß wir durch Benüzung unseres Grundes und Bodens unabhängig leben könnten, und wir sollten unverzüglich an das Werk schreiten; er werde uns als hilfreicher Freund an der Seite stehen. Wir gaben seinen Kenntnissen und Erfahrungen nach, und verabredeten gleich im Allgemeinen einen Plan zum Beginne. Alfred hat sein Versprechen, uns beizustehen, nicht nur gehalten, sondern er hat weit, weit mehr gethan, er ist unser bester Freund geworden, und ist es bis zu dem heutigen Augenblike geblieben. Schon zwei Tage nach seinem ersten Besuche sandte er uns einen sachverständigen Mann herauf, der bei ihm in Diensten war, daß er bei uns das Ganze leite, und deßhalb auch immer heroben bleibe. Er sandte uns auch einige Taglöhner, welche in Arbeiten dieser Art erfahren waren. Nun wurde die Erde umgegraben, die Steine zerschossen, Wasserrinnen angelegt, Dünger herbei geschafft, und Rasen gethürmt, daß sich Erde bereite. Maria war bei allen Dingen dabei, sie wurde immer heiterer, und hatte sich kürzere Röke und Stiefelchen machen lassen, um überall hin gehen zu können. Wenn es Abend wurde, und die Leute ruhten, saß sie bei den Büchern, und lernte in ihnen um etwas vorwärts zu bringen. Es ist unglaublich, wie sich das Kind damals um die Sache annahm. Ich konnte ihm beinahe in keinem Stüke beistehen, weil ich nach den Erschütterungen und Sorgen der vorhergegangenen Jahre fast immer krank war. Alfred kam Anfangs in jeder Woche einmal, später sogar zweimal herauf. Wenn Maria sich nicht Raths wußte, ritt sie auch zu ihm hinunter. Sie saß hiebei immer auf dem Maulthiere, das der alte Mann an dem Zaume führte. Endlich waren die Gründe umgearbeitet, die Mauer um dieselben aufgeführt, die alten Bäume beschnitten und gereinigt, neue gesezt, und die nakte Erde des Gartens mit Pflanzen bedekt. So konnte es nun weiter gehen. Im ersten Sommer war es nicht viel, aber es wurde bald besser, so daß wir bei unserer einfachen Lebensweise nichts mehr von dem Unsrigen beisezen durften. Die Sache war nun im Gange, und schwang sich immer besser empor. Maria richtete sich das Zimmer ein, welches sie noch hat, schrieb dort alles auf, lernte dort, leitete alles, und führte es zu dem Zustande, in welchem es jezt ist. Sie strengte die Kräfte, die der Herr in ihren Körper gelegt hatte, so an, daß ihre Schönheit, welche, obwohl ich es als ihr Vater nicht sagen sollte, damals nicht nur das sanfte Aussehen Camillas übertraf, sondern wirklich außerordentlich war, ganz und gar verloren ging. Sie hatte eine sehr große Freude, als sie die erste Summe
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