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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Nachmittages, daß wir an dem Rande des Kastanienwäldchens saßen, nehmlich Mutter Victoria, Rikar und ich. Die Mädchen waren in dem Garten beschäftigt, oder eigentlich Maria that ein Geschäft und Camilla sah ihr zu. Die Lüfte waren lind und der Springbrunnen plätscherte angenehm. Die Mutter war besonders freundlich und mild, und erzählte mir von Camilla, und wie sie dazu gekommen sei, die Geige als ihr liebstes musikalisches Instrument zu pflegen.
    »Sie war ein sehr schönes frohes Kind,« sagte sie, »sie war lebendig, feurig, rosenwangig und jauchzend. Jeder, der sie sah, gerieth in Entzüken. Wir waren damals noch in Mailand und die Eltern von beiden Seiten lebten noch. Da nahm ich das Kind einmal in den Dom mit. Die Eltern waren der Meinung, daß man ein Kind nicht zu früh in die Kirche führen solle, wenn es nehmlich noch nichts von den heiligen Handlungen versteht. Da Rikar und ich diese Meinung theilten, war noch keine unserer Töchter in eine Kirche gekommen. Weil aber Camilla schon Vorstellungen von Frömmigkeit zu bekommen schien, da sie immer so andächtig bei ihrem Morgen- und Abendgebete kniete, und da sie die Aeuglein nach oben erhob, als wüßte sie, wo das Wesen wohne, zu dem sie das Gebet richtete, so beschloß ich, sie einmal in die Kirche mit zu nehmen. Ich führte sie zuerst an einem Nachmittage in den Dom, zeigte ihr die Säulen, den Schmuk, die Wölbung und die Altäre, und sagte ihr, daß dieses das Haus Gottes sei, wo die gläubigen Menschen zusammen kommen, um ihn, den man wohl überall anbeten könne, doch hier ganz besonders zu verehren. Ich versprach ihr, daß ich sie, wenn sie recht gut wäre, bald wieder mit mir in die Kirche nehmen würde, aber nicht, wenn dieselbe so leer stünde, wie heute, sondern, wenn die Menschen versammelt wären, um Gott anzubeten. Das Kind erinnerte mich nun alle Tage daran, und eines Tages, als ich in die Messe ging, nahm ich es mit. Ich wiederholte dieses von Zeit zu Zeit. Einmal war ein feierliches Hochamt. Wir gingen ebenfalls hin. Ich weiß nicht, warum ich dem Kinde nie gesagt hatte, daß man in der Kirche auch zuweilen Musik mache; wir hatten bisher nur immer die stille Messe besucht. Als in den großen Räumen, die heute noch dazu mit Menschen voll gefüllt waren, theils mit gepuzten, theils mit armselig gekleideten, die Töne der Orgel erklangen, war Camilla außerordentlich überrascht. Das Kind mochte bisher die heiligen Verrichtungen des Priesters an dem Altare für die einzige Gottesverehrung gehalten haben, wie mußte es ergriffen werden, als es diese neue Anbetung vernahm. In unserem Hause war damals wenig Musik, blos ein bischen Clavier und Gesang. Das Kind, welches bisher immer neben mir gesessen war, und die Händchen gefaltet und die Augen gegen den Altar gerichtet hatte, vergaß seine Andacht, und horchte mit der ganzen Kraft seiner Seele auf die Musik. Im Benedictus war ein Violinsolo, und als die Töne recht deutlich und verständlich von der andern Musik weg gingen, sah ich das Kind neben mir sizen, seine Händlein waren ihm in den Schoß gesunken, und die Wänglein waren rosenroth erblüht. Als die Messe aus war, nahm ich es an der Hand, führte es hinaus, und das Kind hüpfte an meiner Seite nach Hause. Als wir zu Hause angekommen waren, erzählte es dem Vater von der Musik, die es gehört hatte, und fragte, was das für Klänge gewesen seien, die so annehmlich und so lieblich getönt hätten. Ich antwortete: »eine Geige.« Von nun an fragte Camilla immer, was eine Geige sei, wie sie aussähe, und wie man sie behandle, daß sie klinge. Als sie einmal eine in einer Gesellschaft sah, rührte sie dieselbe an, und versuchte darauf zu spielen. Da ihr der Großvater eine zum Scherze kaufte, spielte sie immer darauf; und da sie einen Lehrer bekam, machte sie große Fortschritte. Sie liebte diese Töne ungemessen, und suchte sie immer hervor zu bringen. Sie machte oft tagelange oft nächtelange Uibungen, daß es selbst ihrer Gesundheit schadete. Als die Großeltern schon lange todt waren, und als sie den Lehrer nicht mehr hatte, der ihr nur die Anfangsgründe hatte beibringen können, ging sie allein zu ihren Notenbüchern, und suchte den Inhalt derselben in ihre Saiten zu sezen. So trieb sie es fort, und gelangte nach und nach zu ihrer lieblichen himmlischen Kunst, die ihr jezt so viel gilt.«
    »Theure Victoria,« antwortete mein Freund auf diese Worte, »ja es ist eine himmlische Kunst; aber unser Kind wird an dieser Kunst

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