Zwei Schwestern
sie bisher in unsere alten Tage hinein immer gewachsen ist. Als ich in das Amt trat, wurde Hochzeit gemacht. Die Freunde und Verwandten der beiden Familien waren zugegen. Mein Vater hatte uns in einem Hause, das dem seinigen sehr nahe lag, eine Wohnung eingerichtet, daß wir in ihr leben und selbstständig sein könnten. Wir waren zufrieden, wie man es nur immer in der Welt sein kann. Meine Gattin gebar mir einen Sohn und zwei Mädchen. Der Sohn ist als Jüngling gestorben, die Mädchen leben, und ich habe sie noch. Zuerst starben die Eltern Victorias, dann starben auch die meinigen. Wir verkauften die Handelschaften, wir verkauften Victorias Haus, denn sie war auch die einzige Tochter und das einzige Kind ihrer Eltern gewesen, und wir zogen in das Haus meines Vaters. Ich war in den Diensten unserer Stadtgemeinde und diente unentgeldlich. In jener Zeit begannen mich üble Nachreden zu verfolgen, es wurden mir Hindernisse gelegt, und zulezt brach noch ein Prozeß mit einem meiner weitschichtigen Verwandten aus. Diese Dinge veranlaßten uns, daß ich mein Amt nieder legte, und daß wir nach Meran, dem Stammorte Victorias, gingen; denn ihre Großeltern hatten in der Gegend gelebt. Wir wohnten in Meran abgeschieden und ohne Feinde. Aber die Gerichtssache wurde immer schwerer. Je weiter wir kamen, desto mehr dehnte sie sich aus, und ich mußte ihr meine ganze Aufmerksamkeit widmen. Weil wir in Meran sehr zurükgezogen lebten, so konnte ich den erforderlichen Antheil an dem Rechtsgange nehmen. Zulezt wurde die Entscheidung nach Wien verlegt, und ich reiste ebenfalls dahin. Ich gab mir alle Mühe, das Ende herbei zu führen, und scheute keine Anstrengung und keine Aufopferung. Das Ende kam auch. Was ich nimmermehr geglaubt hätte - ich hatte den Prozeß verloren - und mit ihm hatte ich aber auch mein ganzes Vermögen verloren. Von den Handelsgütern unserer Eltern war ohnehin nicht viel übrig geblieben, unsere Habe bestand größtentheils in unserem landschaftlichen Besize, und dieser war der Gegenstand des Prozesses gewesen. Mein Gegner war ein sehr edler Mann, und er hat gewiß von meiner Lage nichts geahnt. Als ihr mich zu dem Postwagen begleitetet, und ich meinen zertretenen Mantel, auf den die Leute gestiegen waren, von der Erde aufhob, um einzusteigen, wußtet ihr wohl nicht, wie es mir im Herzen war. Es saßen lauter fröhliche Menschen in dem Wagen, ich drükte mich in die Eke, und schwieg. Ich kam nach Meran. Ich versammelte die Meinigen, und sagte ihnen, was uns begegnet sei. Da war ein großer Schrek und eine große Traurigkeit. Aber wir faßten uns wieder, und beschloßen, uns in dem, was uns geblieben war, umzusehen, und zu versuchen, ob wir davon, wenn wir es zu Gelde gemacht hätten, leben könnten. Wir beschloßen den Verkauf aller unserer Dinge in Mailand. Unter den Liegenschaften, die wir besaßen, war auch dieses Haus hier, in dem wir jezt wohnen. Es war nicht in den Verzeichnißen der streitigen Gegenstände aufgenommen gewesen, wollte mir nun mein Gegner ein Geschenk machen, oder hatte er es vergessen. Unsere Vorfahrer hatten einst sehr ausgedehnte Besizungen in den Gegenden des Gardasees gehabt, die später unter ihren Nachfolgern bedeutend zusammen geschmolzen sind. Als noch die Hochebenen des Sees mit dichtem Walde bedekt waren, erzählt die Sage, haben sie hier dieses Haus als ein Jagdschloß erbaut, um sich bei ihren Ausflügen und Vergnügungen zu schüzen und zu sammeln. Aber diese Sage ist nicht wahr. Hier ist nie ein Wald gewesen, und weßhalb unsere Voreltern das Haus erbaut haben mögen, können wir nicht mehr ergründen. Unsere nächsten Vorfahrer kümmerten sich nicht um das Gebäude, sie vergaßen es, und es gerieth in Verfall. Mein Großvater, der ein Freund ländlicher Natur und Abgeschiedenheit war, erinnerte sich wieder daran, und wollte darin wohnen. Er besah es, und machte seine Entwürfe. Er sandte dann Bauleute herauf, die diese Entwürfe verwirklichen mußten. Er ließ aus den vielen kleinen Zimmern, die dem Geschmake des Mittelalters zusagten, wenigere aber größere machen, wie sie von seiner Zeit gefordert wurden. Er ließ auch zubauen, ließ die Wände mit den Bildern bemalen, die ihr noch seht, darum so viele Schäfer und so viele Gegenstände aus der Götterlehre sind, und ließ alles nach seinen Ansichten und seinen Neigungen verzieren. Ja er sezte sogar die Bäume, die ihr jezt als großgewachsen und alt um das Haus herum stehen sehet. So sehr ist man gewohnt, alles, was
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