Zwei sind eine zu viel
noch nicht.
Sie meldete sich.
„ Himmelherrgott noch mal, gut, dass ich dich erreiche. Ich dachte schon, du wärst auch krank. Gott sei Dank geht es dir gut. Dir geht’s doch gut, o der?“
Lucy hatte keinen guten Zeitpunkt gewählt. Resigniert ließ Emma ihren Blick durch das Fenster der Apotheke schweifen. Krank war sie nicht, nicht körperlich, aber dass es ihr gut ging, konnte sie auch nicht behaupten. „Was gibt es Neues?“ Sie stellte sich unter das Vordach der Apotheke. Es fing fe s ter an zu regnen. Sie war bereits nass bis auf die Haut.
„ Ich bin am Flughafen!“
„ An welchem? Berlin oder Charles de Gaulle?“
Lucy seufzte. „Nein, ich bin in Berlin. Vor zehn Minuten gelandet.“
„ Warum?“ Sie vergaß kurzzeitig ihre eigenen Sorgen.
„ Die Firmenleitung von Sportstrainers hat mich angerufen. Ich schwör dir, ich hatte gerade die Schuhe des Jahrtausends in der Hand, als mein Handy klingelte. Da ist die Hölle los. Belinda, Alina und Lana haben sich alle kran k gemeldet. Grippe oder Margen-Darm – ich weiß nicht. Stefan ist unabköm m lich auf einer Managerschulung und nun müssen Sophie und die Chefin pe r sönlich den Laden schmeißen. Wir sind absolut unterbesetzt.“ Sie schnaufte. „Moment mal eben.“ Es entstand eine Pause und man hörte ein lautes Ger a schel in der Leitung. Dann war Lucy wieder da. „Das war mein Koffer“, schnaufte sie. Emma nahm an, dass Lucy wie immer Übergepäck hatte. „Ich werde den Koffer nach Hause bringen und gleich zu Sportstrainers weiterfa h ren. Die warten schon sehnsüchtig auf mich.“ Sie konnte hören, wie Lucy ihren quietschenden Koffer hinter sich herzog. „Eins sag ich dir, von den Spesen kann ich mir den nächsten Urlaub finanzieren. Außerdem hab ich ein halbes Jahr keinen Putzdienst an den Geräten.“ Emma konnte beinahe sehen , wie Lucy sich freute.
„ Das ist klasse.“ Ihre Freude hielt sich in Grenzen.
„ Ich wollte nur hören, ob es dir gut geht. Hätte ja sein können, dass du dich angesteckt hast. Du warst doch trainieren, als ich nicht da war, oder?“
Emma blickte in den wolkenverhangenen Himmel. „Jaja, war ich.“
„ Gut. Komm einfach nach der Arbeit vorbei. Dann quatschen wir und ich erzähl dir, wie es Mama geht. Ich muss Schluss machen, da ist mein Taxi. Hab dich lieb. Bis nachher.“
Sie hatte schon aufgelegt, bevor Emma geantwortet hatte. „Ja, bis nac h her.“ Sie sah auf ihr Handy. Schlagartig waren ihre Probleme wieder da. Sie schlug den Kragen hoch, damit der Regen ihr nicht den Rücken hinunterla u fen konnte. Sie würde sich zu Hause umziehen und später ins Fitnessstudio fahren. Zeit hatte sie genug. Vielleicht konnte sie sich bei Lucy ausweinen. Wofür waren Schwestern da ?
Zweiundzwanzig
Die Uhr zeigte fünf Uhr , als Simon ins Büro kam. Die Verhandlungen waren nicht befriedigend verlaufen. Sie hatten lange diskutiert und sich ständig im Kreis gedreht. Er hatte auf der Autobahn im Stau gestanden, war genervt und hungrig und freute sich auf den lang ersehnten Feierabend mit Emma.
Hoffentlich hatte sie auf ihn gewartet. War es unverschämt, das von ihr zu verlangen? Sicher war sie wieder mit dem Bus gefahren. Aber heute würde er sich nicht mit ihr streiten. Er war zu erschöpft. Er wollte nur essen und mit ihr schlafen. Nicht zwingend in der Reihenfolge.
Er trat in die dritte Etage der Redaktion und blickte sich suchend um.
Emma war nicht da. Natürlich nicht! Was hätte er auch ander e s erwarten sollen? Sie war eine so eigene und willensstarke Persönlichkeit, wie er es se l ten erlebt hatte. Sie war selbstsicher und ein bisschen störrisch. Das gefiel ihm. Er liebte es, sie zu beobachten, wenn sie wütend war, ihre Augen zogen sich dann katzenhaft zusammen. Im Moment verfluchte er sie allerdings, weil sie bereits Feierabend gemacht hatte. Konnte sie nicht einmal tun, was er von ihr verlangte? Einmal wäre schon ein Anfang.
Wann hatte er sie das letzte Mal gesehen? Er vermisste sie. Wie konnte das sein? Warum fehlte sie ihm? Obwohl sie sich erst vor sechs Stunden getrennt hatten. Er wollte nur nach Hause und duschen. Dann würde er sich umzi e hen und sie suchen. Er spürte , wie sein Herz sich vor Liebe weitete, während er an sie dachte. O ja. Er würde sie suchen.
Als Simon frisch geduscht, in Jeans und T-Shirt vor Emmas Wohnungstür stand, musste er enttäuscht feststellen, dass sie nicht zu Hause war. Es bran n te kein Licht. Er hatte mehrfach geklingelt, aber sie hatte ihm
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