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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Keil
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Bereitschaft, auf seine innere Stimme zu hören.«
    Innere Stimme. Was sagt eigentlich meine innere Stimme? Oliver. Ich glaube, sie sagt: Oliver.
    »Apropos Kunst. Was macht denn die Musik? Irgendwelche Neuigkeiten?«
    Bingo! Das war das richtige Stichwort.
    »Wir waren vor zwei Wochen bei einem Chorwettbewerb in Budapest. Der Hammer! Zehn Mädchenchöre aus ganz Europa!«, sprudelt es aus mir heraus. »Und ich hab mein erstes Solo gesungen! Vor so vielen Leuten, dass ich erst dachte, ich bringe keinen einzigen Ton raus, aber als das Klavier eingesetzt hat, hab ich die Leute ringsum einfach vergessen. Und stell dir vor, wir sind sogar Dritter geworden!«
    »Gratuliere! Und was war der dritte Preis?«
    »’ne Aufnahme in einem Tonstudio.«
    »Fantastisch! Das heißt, ich kann euch jetzt auch mal auf CD hören und muss nicht mehr durch die halbe Republik gondeln? Wirklich großartig! Ach, und Budapest ist ja auch so eine wundervolle Stadt! Warst du im Kunstmuseum? Das hat doch gerade sein hundertjähriges Bestehen mit einer fantastischen Ausstellung gefeiert.«
    »Nö, aber ich hab dort die besten Waffeln mit Vanillepudding meines Lebens gegessen.«
    Der Wasserkocher beginnt zu pfeifen, Tante Doro springt auf und gießt das heiße Wasser in eine Glaskanne mit Kaffeepulver.
    Ich mag den Duft von Kaffee. An unserem letzten gemeinsamen Morgen kam Oliver mit zwei riesigen Bechern Kaffee und einem Korb Schokocroissants an mein Bett. Ich wachte auf, die Sonne schien mir ins Gesicht und ich hatte diesen Duft in meiner Nase, vermischt mit dem Geruch von Oliver und frischen Schokocroissants.
    Da dachte ich: So riecht Glück. Nach Kaffee, Schokocroissants und Oliver.
    »Er fehlt dir, mmh?« Doro sieht mich aufmerksam an.
    »Was?«
    »Oliver. Du hast gerade so ausgesehen, als würdest du an ihn denken.«
    »Wie hab ich denn ausgesehen?«
    »Als ob du an etwas sehr Schönes denkst, das dich sehr traurig macht.«
    Ich starre in die rot gepunktete Kaffeetasse, die mir Doro vor die Nase gestellt hat, und gebe mir die größte Mühe, meine Tränen zurückzuhalten. Ich versuche an etwas anderes zu denken. An Käsekuchen, an Erdbeeren, an Waffeln mit Vanillepudding. Aber das Piksen in meiner Brust und in meinem Hals lässt sich einfach nicht vertreiben.
    »Ich hab ihn doch so gern«, presse ich hervor und die erste Träne plumpst vor mir in den Becher.
    Ich weiß nicht, wie lange Doro und ich noch in der Küche gesessen haben. Ich habe ihr von der ganzen letzten Woche erzählt. Angefangen von der SMS bis zu dem letzten Telefonat mit Oliver.
    Das war Freitag vor drei Tagen gewesen. Ich habe ihn angerufen (zum tausendsten Mal) und konnte kaum glauben, dass er tatsächlich ans Telefon ging. Die Tage zuvor habe ich immer bloß seine Mailbox vollgequatscht und beschimpft und wenn ich zu Hause bei seinen Eltern anrief, ließ er sich von seiner Mutter am Telefon verleugnen. Ganz große Leistung, echt.
    »Es tut mir leid«, hat er gesagt. »Gegen Gefühle kann man nichts machen«, hat er gesagt. »Ich habe mich in ein anderes Mädchen verliebt«, hat er gesagt.
    Er hat das alles gesagt, ich habe das alles gehört, aber ich habe nichts dabei empfunden. Wenn man körperliche Schmerzen hat, die so groß sind, dass man sie bei vollem Bewusstsein nicht ertragen könnte, wird man irgendwann ohnmächtig. Ich glaube, mein Herz wurde ohnmächtig in diesem Moment.
    Als ich darauf nichts erwiderte und für Minuten bloß noch blöde in den Hörer schluchzte, holte er mit entsetzlich ruhiger Stimme zum letzten Schlag aus.
    »Marie, gib mich frei.« Dieser Satz hat sich mir in die Seele eingebrannt. Es war aber erst sein vorletzter.
    »Sag mir, dass es das jetzt war«, habe ich geflüstert, weil ich dachte, dass er zumindest zu dieser Grausamkeit nicht imstande sein würde. Dass er es nicht aussprechen kann, weil er riskiert, dass es wahr wird, und er ja eigentlich gar nicht wirklich will, dass es wahr wird. Dass er nur verwirrt ist. So wie ich.
    »Das war’s jetzt.«
    Das war’s.
    Ich liege im Bett in Doros Gästezimmer unter dem Dach, atme den Geruch von frischer Bettwäsche und altem Holz. Es ist so still, dass ich mir selber beim Atmen zuhören kann. Das orangefarbene Licht einer Straßenlaterne scheint zum Fenster herein. Es erweckt die Monster zum Leben, die in dem verwaisten Nagel am Balken wohnen und in der Vase, die auf dem Fensterbrett steht und nun lange Schatten wirft an der schrägen Wand neben mir.
    Als ich noch klein war, hatte ich eine

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