Zwei Sommer
jetzt? Ode an Lilli?
»Ich hab sie in diesem Sommer kennengelernt«, fährt Janos fort, »und ich weiß, dass sie heute hier ist.«
Ein Song für mich! Janos sieht mich zwar nicht an, aber ich bete, dass er mich meint.
»Der Text ist von ihr, der Song von mir, so war’s ausgemacht.« Janos strahlt in meine Richtung. »Ich hoffe, sie verzeiht mir, dass ich ihn auf Englisch singe. Aber hinter einer anderen Sprache kann man sich so gut verstecken«, sagt er, grinst und gibt dem Typ hinterm Schlagzeug mit einem Kopfnicken ein Zeichen. » Missing her. Schön, dass wir uns getroffen haben. Macht’s gut.«
Mein Song für Isa.
Die Elfe mit den blonden Haaren.
Where has she gone to,
my beautiful fay,
leaving me hollow, wrecking my day.
Will we ever be again,
what we used to be?
Whose heart keeps knocking
on the back door of mine?
Is it thine?
Ich stehe im Dunst einer Nebelmaschine. Der DJ spielt seit einer halben Stunde Blabla, um die Leute nach dem Konzert an die Bar zu bewegen. Ich lächle entfernten Bekannten mit einem Gesicht zu, das mir selbst fremd ist. Ich führe Small Talk, obwohl ich es hasse, weil jeder hier weiß, dass die Schule in drei Tagen wieder anfängt und dass das Scheiße ist und dass das Wetter diesen Sommer eine Katastrophe war und dass ja jetzt auch der Herbst beginnt und danach der Winter kommt, was auch Scheiße ist, weil danach höchstwahrscheinlich Frühling wird, bei dem man nicht mitmachen kann, wenn man in niemanden verliebt ist.
Ich sehe zu dem Mädchen hinüber, das mal zu mir gehört hat, und ich weiß, es hat jetzt einen Zettel in der Hosentasche, der es an mich erinnern wird.
Auf diesen Zettel habe ich eine russische Halbinsel gemalt und in der Halbinsel steht eine Telefonnummer, die mir gehört.
Ich weiß selbst kaum, wie ich diese drei Meter bis zu ihr überstanden habe, und ob ich wirklich will, dass sie mich anruft. Ich weiß ja nicht einmal, ob ich sie je wieder so mögen kann, wie ich sie mal mochte. Oder ob wir noch mal werden, was wir einmal waren. Aber Schweigen bringt mich auch nicht weiter.
Ich finde, dass die Wirklichkeit mir gerade mein Finale versaut. Ich meine, ich bin gerade über meinen Schatten gesprungen, der dreimal so breit war wie das Meer. Aber Klarheit habe ich trotzdem nicht.
Andererseits, vielleicht ist die Wirklichkeit ja genau so: in den größten Momenten – undurchsichtig. Cola mit Zitrone. Vielleicht geben sich im wahren Leben die wichtigen Momente nie sofort zu erkennen. Vielleicht spielt das wahre Leben in Augenblicken wie diesen nie dein Lieblingslied.
Isabella
8
Ich liebe dich.
Freitagnacht. Wir liegen wach, weil die Schmetterlinge in unseren Bäuchen uns nicht schlafen lassen. Der Signalton meines Handys ist zu meinem Lieblingsgeräusch geworden, weil er mir Dinge ankündigt, die mich schweben lassen. Weil er zum Boten jenes Menschen geworden ist, den ich über alles liebe.
Wir spüren vom Tanzen noch das Kribbeln in unseren Beinen und riechen noch nach Rauch.
Neben den Buchstaben auf dem Display, die sich zu den süßesten Worten verbünden, die man mit den Augen schmecken kann, ist es immer das Gleiche, was uns von Nächten wie dieser bleibt: ein Ziehen in den Waden und der Geruch von Zigarettenqualm in unseren Haaren.
Wir tragen denselben Eintrittsstempel auf dem Handgelenk als Zeichen unserer Verbundenheit. So wie andere Verliebte Fotos in Portmonees mit sich herumtragen oder halbierte Herzen um den Hals. Wir dürfen keine halben Herzen tragen. Uns klebt nur die verschmierte Tinte an den Händen, die wir morgen Früh sorgfältig abwaschen müssen. Unsere Liebe darf keine Spuren hinterlassen, dabei ist sie manchmal so stark, dass ich Angst habe, sie könnte mich irgendwann verraten. Hin und wieder sehne ich mich sogar danach: nach dem erlösenden Verrat, nach den erlösenden Worten, die mir trotz allem nicht über die Lippen wollen. Ich weiß nicht, wie oft ich in den letzten Tagen vor dem Spiegel gestanden und mein Geständnis geprobt habe. Es klang immer furchtbar, egal wie ich es aussprach. Es ist das am allerscheußlichsten klingende Geheimnis und das allerschönste Geheimnis zugleich, das mein Herz je hüten musste.
Ich weiß, dass er jetzt am anderen Ende der Stadt, dreizehn Haltestellen von mir entfernt, wachliegt und an mich denkt. Es war wie eine stumme Übereinkunft, als wir uns vorhin am Bus vor den anderen zum Abschied in die Augen gesehen haben: Ich denke an dich, haben seine Augen gesagt und meine erwidert. Dieser
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