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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Keil
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wollte nicht eingesperrt sein – weder in unserem Haus noch in meiner Angst, dass mein Schmerz wieder ausbrechen könnte. Und so traf ich eine folgenschwere Entscheidung.
    Ich beschloss, mit Lenny und meinen Eltern ins Erzgebirge zu fahren. Das hieß im Klartext: vierzehn Tage Ferien auf dem Bauernhof. Das bedeutete laut Prospekt: »sehr ruhige Lage ohne Autoverkehr« und »Streichelzoo, Kinderkutschfahrten und vieles mehr.« Vieles mehr passierte.
    Das Zweitschlimmste war, in einem vollgekackten Ziegenstall zwischen übel gelaunten Ziegen nach Stefan zu suchen. Natürlich musste das doofe Vieh mit und natürlich war es Lenny entwischt, sobald der es in guter Absicht auf die Wiese gesetzt hatte. Lenny flennte die ganze Zeit, statt mir beim Suchen zu helfen, weil er der festen Überzeugung war, dass Stefan etwas Schreckliches zugestoßen sein musste. Alle waren heilfroh, als ich meinem Bruder schließlich einen völlig verdreckten, stinkenden, aber ansonsten mopsfidelen Stefan überreichte.
    Das Schlimmste aber war dieser Hahn.
    Jeden Morgen um sechs Uhr erklärte er mit bestialischem Gekreisch meinen Schlaf für beendet. Ich hingegen erklärte jeden Morgen aufs Neue Brathähnchen zu meinem Leibgericht.
    »Wenn sich der Künstler noch verewigen würd e …«
    »Soll ich echt?«, fragt Lenny unter seinem orange gesprenkelten Papierhut hervor und sieht skeptisch auf den schwabbeligen Batzen roter Farbe zu seinen Füßen. Zwölf Döschen Schulmalfarbe.
    »Na los jetzt!«
    »Okay! Aber du sagst es Mama!«
    »Ja doch. Jetzt mach schon.«
    Lenny krempelt sein Hosenbein hoch und zieht seine Socke aus. Vorsichtig tritt er mit dem nackten Fuß in den Berg Farbe und verzieht das Gesicht, als wäre es Hundekacke. Als er endlich mittendrin steht, strahlt er mich an. »Das ist cool, Marie! Cool eklig!« Dann hüpft er auf dem anderen Bein durch mein Zimmer, das komplett mit Folie ausgelegt ist, und verpasst meiner frisch gestrichenen orangen Wand einen Fußtritt. Ich fasse derweil mit meiner Hand in die Farbe, gehe zu Lenny hinüber, der immer noch die Wand anstaunt, und setze meinen Handabdruck neben Lennys kleinen roten Fuß.
    Seit ein paar Tagen sind wir wieder zu Hause und es hat mich nicht viel Überredungskunst gekostet, zumindest Lenny für die Neugestaltung meines Zimmers zu begeistern.
    Meine Mutter verstand überhaupt nicht, was an Orange besser sein soll als an Rosa und warum ich mein Bett nicht unter dem Fenster stehen lassen will, da hätte ich doch so einen tollen Blick. Es war ihr schleierhaft, warum Lenny und ich nicht zusammen auf den Spielplatz gingen, und stattdessen in meinem aufgeheizten Zimmer unterm Dach »alles vollschmieren müssen«. Aber nach einem Telefonat mit Doro ist ihr Protest schlagartig verstummt.
    Doro. Nach meiner letzten Begegnung mit Janos verspürte ich den Drang, nach Hause zu fahren. Ich hatte zuerst ein schlechtes Gewissen, es Doro zu sagen, aber spätestens nachdem ich ohne Janos und die anderen bei strahlendem Sonnenschein zwischen kreischenden Muttis am Strand saß, wusste ich, dass ich nicht anders kann. Doro war nicht böse. Mit einer riesigen Papierrolle unter dem Arm schickte sie mich auf die Reise.
    »Es braucht noch einen Namen!«, rief sie mir zu, als der Zug schon anfuhr.
    »Was?«, brüllte ich zurück und lehnte mich aus dem heruntergeschobenen Zugfenster.
    »Dein Bild!«, rief Doro.
    Ich hatte auf der Zugfahrt viel Zeit zum Nachdenken und taufte es »Hunde-Elend«.
    »Schief«, quietscht Lenny. Mir fallen inzwischen fast die Arme ab.
    »Immer noch schief!«, quietscht er, während ich das Bild an die Wand halte und an einer Seite hoch- und runterschiebe.
    »Dann ist es halt schief«, schnaufe ich und schlage entnervt den zweiten Nagel durch das dicke Papier in die Wand.
    »Was ist das?«, fragt Lenny und ich sehe die Ratlosigkeit in seinen Augen, als er das »Hunde-Elend« betrachtet, das jetzt über meinem Bett hängt.
    »Das sind meine Gedanken«, erwidere ich und grinse Lenny an.
    Andächtig betrachtet er mein Kunstwerk. »Deine Gedanken sind schief«, sagt Lenny nach einer Weile – ein Satz, der ohne Umwege in meinem Notizbuch landet. So wie der Umstand, dass Janos sich bis heute nicht bei mir gemeldet hat und gegen gefühlsduselige SMS allem Anschein nach immun ist. Aber das hätte ich mir ja denken können.
    Auf meinem Wecker ist es 6:3 2 Uhr. Mein Souvenir aus dem Erzgebirge: ein völlig abartiger Biorhythmus. Danke, Hahn. Ich glaube, wenn die Schule in vier Tagen

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