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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Keil
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anfängt, brauche ich erst mal Ferien.
    Ich ziehe mich an und mache mich kurz entschlossen auf den Weg zum Bäcker, um frische Brötchen zu holen. Wenigstens einen Sinn will ich dem viel zu früh begonnenen Tag geben.
    Ich schlängle mich durch die kühle Morgenluft in Richtung Hauptstraße. Ich kann das Kopfkissen an meinem Ohr noch deutlich spüren, seine kuschelige Wärme fühlen, als ich vor Schreck fast mit einer Litfaßsäule kollidiere. Eine stark parfümierte Frau läuft in mich hinein und rammt mir dabei ihre spitzen Schuhe in die Hacken, weil ich ohne jede Vorwarnung und schriftliche Genehmigung stehen bleibe.
    »Mensch, pass doch auf, dumme Göre!«, höre ich sie maulen, als sie im Stechschritt an mir vorbeimarschiert. Von weit weg melden meine Füße Schmerz an, aber ich bin wie betäubt.
    Zwischen einem Dutzend bunter Plakate bleibt mein Blick an dem einen kleben, auf dem mir in Pink auf Hellblau die stilisierten Köpfe von vier Personen entgegenblicken. Wieder und wieder lese ich, was auf dem Plakat geschrieben steht. Mein Herz meldet Schmerz an. Es tut weh. Warum hat er nicht Bescheid gesagt? Mein Herz meldet Glück an. Es tut weh. Man sieht sich immer zweimal im Leben.
    Die Buchstaben verschwimmen vor meinen Augen.
    » Querbeat . Live in Concert.«
    »Natürlich gehst du hin!« Pauline ist sich meiner Sache mal wieder hundertprozentig sicher.
    »Aber was mach ich, wenn die auch da sind?«
    »Und wenn schon. Mann, Marie! Wenn du so weiterjammerst, setz ich mich in den Zug und bring dich persönlich ins Becks Stage .«
    Das Becks Stage ist der Club, in dem Querbeat spielen und wo ich um keinen Preis hinwill, es sei denn, mit einer Abwesenheitserklärung von Isa und Oliver in der Hand. Es ist mein Lieblingsclub und die Wahrscheinlichkeit, der halben Schule an einem Samstagabend dort über den Weg zu laufen ist niederschmetternd riesig.
    »Marie!«
    »Pauline?«
    »Das sind deine Ferien, das ist dein Typ, und was passiert ist, ist nicht deine Schuld! Die Einzige, die sich schämen müsste, da aufzukreuzen, ist ja wohl Isa!«
    »Ja, aber…«
    »Also zieh dir jetzt was Schönes an, leg den Hörer auf und beweg deinen Hintern.«
    »Meinst du?«
    »Meinstdumeinstdumeinstdu! Klar, mein ich!«
    In meinem nächsten Leben möchte ich eine Pauline werden. Und wenn ich nur das eine habe?
    Dann möchte ich eine glückliche Marie sein.
    Manchmal verdichtet sich das Leben auf eine Weise, dass du das Gefühl bekommst, du könntest danach greifen, es anfassen, es sehen, es riechen, hören und schmecken. Zum Beispiel jetzt.
    Mein Leben schaut aus blaugrünen Augen von einer kleinen Bühne auf mich herab. Und es beobachtet mich aus sicherer Entfernung hinter blonden Locken von der Seite. Von allen Seiten schaut es mich an, mein Leben. Es riecht nach Rauch, es schwappt durch riesige schwarze Boxen in überwältigenden Schallwellen an mein Ohr und es schmeckt wie das Zeug in meinem Glas, von dem der Barkeeper felsenfest behauptet hat, es handle sich um Cola mit Zitrone.
    Isa steht am anderen Ende der Bühne, zusammen mit Antonia und Johannes. Oliver ist nirgendwo zu sehen. Ich wage es kaum, zu den dreien hinüberzuschauen, aber meine Neugier ist mal wieder stärker. Leider gibt nichts an Isa etwas über ihren Sommer preis. Eigentlich sieht sie aus wie immer, nur wie jemand, den ich lange nicht gesehen habe.
    Und Janos? Ich habe das Gefühl, zwischen unserem Abschied und heute liegen bloß ein paar Zentimeter und nicht fast vier Wochen. Er wirkt ein bisschen größer, aber das macht die Bühne, und er wirkt ein bisschen weniger selbstgefällig. Seine Haare sind länger geworden. Er hat sie zum Zopf gebunden.
    Obwohl wir uns kennen, verteilt Janos seine Blicke gerecht aufs Publikum. Ich ahne, dass das seiner Sehnsucht entspricht: die große Geste des Musikers, seine Liebe und seine Stimme gleichmäßig unter dem Volk zu verteilen.
    Es ist so seltsam: Zwei Menschen, die ich für Momente glaubte zu kennen, sind ganz in meiner Nähe und zugleich unendlich weit entfernt von mir. Janos, der gerade mal wieder seinen Abschied und den letzten Song durchs Mikrofon ankündigt, Isa, die nichts mehr ankündigt, weil sie ihr größtes Versprechen sowieso schon gebrochen hat. Alle hier versammelt. Die Profis des Abschieds.
    »Der letzte Song ist ein ganz besonderer und darum möchte ich ihn einem ganz besonderen Mädchen widmen«, holt mich die Lautsprecherbox an meinem Ohr zurück ins Becks Stage . Ich starre zu Janos hinauf. Was kommt

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