Zwei Sonnen am Himmel
seinen Worten. Die Fackeln knisterten und der salzige Meerwind schlug den Männern ins Gesicht. Torrs Stimme erhob sich wieder mit eigentümlicher Kraft.
»Jedermann weiÃ, dass an den Grenzen unseres Reiches die Barbarenhorden auf unseren Niedergang warten. Nicht unser Heer ist geschwächt, wir selbst sind es, die den Mut zum Kämpfen verloren haben. Das edle Blut der Amazonen aber würde, mit dem unseren vereinigt, dem Volk die Kraft verleihen, die es ihm ermöglicht zu überleben â¦Â«
Mein Onkel hat den Verstand verloren!, dachte Usir bestürzt. Er sah, wie die Männer viel sagende Blicke tauschten. Grenzten Torrs Worte nicht an Hochverrat? Enak schüttelte düster den Kopf. »Der Priester-König wird den Verlust der âºSchlangeâ¹ grausam an uns vergelten.«
Torr hielt seinen Becher einem Diener hin, den dieser erneut füllte. »Das ist mir bewusst«, sagte er kalt. »Ich gehorchte seinen Befehlen.«
Usir schwieg noch immer. Er spürte Torrs Verbitterung. Als der Admiral die Schiffe in Sicherheit bringen lieÃ, hatte er sich dem Willen des Priester-Königs gefügt, der befohlen hatte die Galeeren um jeden Preis zu schonen. Isa hatte die Wahrheit durchschaut: Der »Riese« und der »Stier« hatten das Weite gesucht, während die »Schlange« den Flammen zum Opfer fiel und ihre Mannschaft niedergemetzelt wurde. Es war keine Ruhmestat für das Heer der Atlantiden! Usir biss sich beschämt auf die Lippen. Seine Gedanken kehrten zu Isa zurück, die in der Finsternis des Kielraumes angekettet war. Sie musste Hunger und Durst leiden.
Keiner achtete auf ihn, als er sich erhob und den Beratungskreis der Offiziere verlieÃ. Ein Sklave kam mit einem Krug Wasser vorbei. Usir winkte ihn zu sich heran. »Ãberlasse ihn mir«, sagte er und ergriff den Krug. In groÃen Holzschüsseln mit Korbdeckeln hatten andere Sklaven Fladenbrot herbeigeschafft und verteilten es unter die Krieger. Usir nahm sich einen dieser Fladen und bahnte sich einen Weg zwischen den lagernden Männern hindurch. Die beiden dunklen, vor Anker liegenden Schiffe, auf denen schwache Lichter aufzuckten, hoben sich vom lichten Himmel ab. Der runde, fahle Mond legte einen silbernen Streifen über das Meer. Usir überschritt die ausgelegten Ruder und ging zum »Riesen« hinüber. Auf der Galeere waren die Seufzer und markanten Schnarchtöne der Sklaven, die an ihre Ruderbänke geschmiedet waren, zu vernehmen. Usir nahm eine Fackel und stieg die schmale Leiter hinunter, die in den Kielraum führte. Vor der Tür stand, auf seine Lanze gestützt, ein Wächter. Usir wies ihn mit einer Gebärde zur Seite. Im Schiffsraum war alles still. Nichts als der Wellenschlag gegen den Kiel war zu hören. Ekel erregender Gestank nach feuchtem Holz und faulenden Algen staute sich in dem schmalen Gang. Ganz im Hintergrund zwischen dicken Schläuchen, die die zur Reise notwendigen Vorräte an Ãl, Getreide und SüÃwasser enthielten, befand sich eine weitere Tür. Usir stieà sie auf.
Isa saÃ, nein, sie kauerte in einem Winkel des Raumes, der gewöhnlich dazu diente, aufsässige Besatzungsmitglieder in Ketten zu legen. Der Fackelschein spielte über das helle Haar des Mädchens und über den glatten und schimmernden Glanz seines Panzers aus Haifischhaut. Es hatte die Beine angezogen und schien zu schlafen.
Aber Usir sah, wie die schmalen grünen Augen starr auf ihn gerichtet waren. Wortlos trat er näher, stellte den Krug und den Brotfladen so hin, dass sie beides erreichen konnte. Isa rührte sich nicht. Ihre Augen leuchteten wie die einer Katze im Halbdunkeln. Als Usir sich aufrichtete, stieà sie nur ein einziges Wort hervor: »Warum?«
»Es ist eines Atlantiden nicht würdig, einen ebenbürtigen Gegner zu verachten«, erwiderte Usir und der Klang seiner eigenen Stimme kam ihm fremd vor.
Isa bewegte sich; ihre Ketten klirrten, als sie über den Holzboden schleiften. Sie nahm den Krug und trank in durstigen Zügen. Wasser lief ihr übers Kinn und über den bronzefarbenen Hals. Sie wischte es mit dem Handrücken fort. Dann hob sie den Brotfladen auf, riss ihn in zwei Stücke und biss gierig hinein. Ihre Zähne waren spitz und weiÃ. Usir hielt die Fackel hoch und betrachtete sie fasziniert.
Unvermittelt sprach sie: »WeiÃt du, was in diesem Augenblick auf der Fraueninsel vor sich
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