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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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schritten über die Schwelle.

8
    Sie befanden sich in einem ungeheuer großen und hohen Saal. Das Gewölbe war mit Myriaden von smaragdgrünen, durchscheinenden Plättchen ausgelegt und funkelte wie das Meer, wenn die Sonnenstrahlen hindurchschienen. Die kreisrunde Form des Raumes verriet, dass er sich genau in der Mitte der Festung, unter der Hauptkuppel, befand. Zwölf vollkommen glatte Säulen, mit demselben glitzernden Material bedeckt wie die Gewölbedecke, bildeten einen Halbkreis, in dessen Mitte ein Thron aus schwarzem Basalt stand. Ein Mann saß dort. Sein schwarzes Gewand war schalartig um seine breiten Schultern geschlungen. Er saß vollkommen regungslos. Die Hände ruhten entspannt auf den massiven Armlehnen des Throns.
    Torr und seine Begleiter waren am Eingang des Saales stehen geblieben, als ob eine unsichtbare Schranke sie daran hinderte, weiterzugehen. Der Greis war verschwunden. Alle, außer Isa, beugten den Kopf. In tiefem Schweigen war nur der gepresste Atem der Männer zu hören. Dann bewegte sich die schwarze Gestalt auf dem Thron. Der Priester-König hob die Hand und forderte sie auf näher zu treten. Torr und Usir gehorchten. Der Wächter zog Isa an ihren Ketten mit sich.
    Je mehr sie sich dem Thron näherten, umso deutlicher sah Isa das Gesicht des Mannes. Es war oval und so klar und weich in den Linien, dass es wie von der Hand eines Meisters geformt schien. Die Haut war wächsern und glatt wie die einer Frau. Das blauschwarze Haar trug er zu einem kunstvollen Knoten geschlungen. Es war unmöglich, sein Alter zu schätzen; dennoch spürte Isa, dass sie einen Mann vor sich hatte, der die Blüte seiner Jahre schon lange überschritten hatte. Im Halbdunkel glichen seine Augen zwei dunklen Höhlen. Doch plötzlich fiel ein Lichtschein auf sein Gesicht: Isa erstarrte. In den Augen, die so tiefschwarz waren, dass sie fast pupillenlos wirkten, funkelten rote Pünktchen mit solcher Intensität zu ihr herüber, dass ihr der Atem stockte und ein eisiges Gefühl sich in ihr Herz schlich.
    Zehn Schritte vor dem Thron beugte Torr jäh das Knie. Usir tat es ihm nach. Isa, die sich nicht gerührt hatte, fühlte die Hand des Wächters auf ihrem Nacken, eine brutale, unnachgiebige Hand, die sie mit aller Gewalt nach vorn stieß. Sie fiel mehr vornüber, als dass sie niederkniete. Hart schlug ihre Stirn auf dem Boden auf.
    Sehr lange hielt der Wächter sie in dieser Stellung fest. Was hätte es genützt, sich zu wehren? Isa schluckte ihre Demütigung und Verachtung hinunter. Endlich lockerte der Krieger den Griff. Mit einem Ruck warf Isa den Kopf zurück und wollte aufstehen. Hart stieß die Lanze des Wächters gegen ihre Rüstung. »Auf die Knie!«, zischte er.
    Â»Auf die Knie? Warum?«, ertönte eine wohlwollende, etwas spöttische Stimme. »Die Frau ist von göttlichem Wesen. Sie gibt und vermittelt das Leben. Alles findet in ihr seinen Ursprung und sein Ende. Wusstest du das nicht, Wächter?«
    Schweigen. Verlegen neigte der Wächter seine muskulösen Schultern.
    Der Mann auf dem Thron ließ ein leises Glucksen hören. Isas Augen, die verstört hin und her irrten, blieben plötzlich an seinen Händen haften. Sie waren von durchscheinender Blässe. Die Nägel, sehr lang und spitz, waren mit einer perlmutterartigen Substanz überzogen, so dass sie wie kleine Spiegel glänzten. An seinem Zeigefinger trug er einen einzigen goldenen Ring, groß und schwer. Er stellte zwei ineinander gewundene Schlangenkörper dar. Zwischen den Leibern der Reptilien war ein Edelstein eingebettet: ein Smaragd von ungewöhnlicher Größe. Das grüne Feuer im Inneren des Steines flammte und funkelte auf der kränklichen, blassen Haut.
    Â»Steh auf!«, fuhr der Mann fort. »Ich, Atlar, Priester-König von Atlantis, dulde nicht den Anblick einer knienden Frau …«
    Das Echo der klaren, gütig klingenden Stimme vibrierte durch den Raum. Isa löste mit Mühe den Blick von den spiegelglatten, krallenartigen Fingernägeln und sah ihm voll ins Gesicht. Sie hielt einen Herzschlag lang den Atem an, als das scharfe Leuchten seiner Augen wie ein Dolch in sie eindrang.
    Atlars blasse Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. »Du bist stolz. Ich liebe den Stolz, Prinzessin Isa. Und mehr als alles liebe ich den Stolz der Gefangenen …« Isa holte benommen Atem. Woher

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