Zwei Sonnen am Himmel
Die Pflichten meines Amtes lasten auf mir â¦Â«
Seine immer leiser werdende Stimme erlosch. Isa sah, wie sich Torrs Lippen zu einem gezwungenen Lächeln verzogen. Er neigte zum Zeichen der Zustimmung und des GruÃes den Kopf.
Usir stand da wie versteinert. Er schien die letzten Worte des Priester-Königs kaum vernommen zu haben.
Isa atmete gepresst. Ja, sie hatte Angst, denn Atlar verfügte über eine Macht, die jeden Sterblichen zu demütigender Unterwürfigkeit zwang. Der Zorn, dieser Macht hilflos ausgesetzt zu sein, brannte ihr heià in der Kehle. Sie sah, wie er die Lider hob, sie anstarrte. Wieder flackerten die roten Pünktchen in seinen Augen. SchlieÃlich gelang es ihr wütend, den Blick von ihm abzuwenden und in verzweifelter Empörung die Lider zu senken.
»Was dich betrifft, Prinzessin«, hörte sie die wohlklingende Stimme sagen, »du wirst während der dreiÃig Tage, die der Bau des Schiffs in Anspruch nimmt, nicht meine Gefangene, sondern mein Gast sein. Es werden dir Gemächer zur Verfügung stehen und Sklaven werden darauf bedacht sein, dir jeden Wunsch zu erfüllen â¦Â«
Er erhob sich von seinem Thron. Ãberrascht kam es Isa zum Bewusstsein, dass sie noch nie einen Menschen von solcher GröÃe gesehen hatte. Langsam und gemessen näherte er sich ihr. Seine FüÃe glitten geräuschlos über die Fliesen. Die Falten seines Gewandes bewegten sich kaum. Er hob die Hand. Die langen, weiÃen Finger berührten Isas Haar, wobei sie schaudernd zurückwich. Ihre Blicke trafen diejenigen Usirs und sie las in seinem Gesicht, dass er sein Entsetzen und seinen Widerwillen nur mit äuÃerster Anstrengung bezwang. Schlagartig begriff sie, dass sie einen Verbündeten hatte. Schon hatte der Priester-König seine Hand zurückgezogen. Seine Augen glänzten wie Kohle. Ein leises, spöttisches Lachen drang über seine Lippen. »Geh!«, sagte er. »Wir sehen uns wieder ⦠später!«
9
Der Tag neigte sich seinem Ende zu. Die schrägen Strahlen der beiden Sonnen schimmerten wie zerstäubtes Gold zwischen den dunklen Umrissen der Säulen. AuÃer den in regelmäÃigen Abständen ertönenden Befehlen der Palastwachen war alles still.
Torrs Privaträume waren innen mit einem glatten, wie Elfenbein wirkenden Steinüberzug verkleidet. Schwere purpurne Vorhänge verhüllten die geschnitzten Schiebetüren. Die Fliesen waren mit Fellen und Matten aus Pflanzenfasern bedeckt, deren heitere Motive die Strenge der Architektur milderten. Die Ebenholzmöbel wiesen Einlegearbeiten aus Perlmutter und Gold aus. Es gab schwere Truhen und breite Ruhebetten, deren Lehnen mit bronzenen Pferde- oder Stierköpfen geschmückt waren. Breite Fenster, die man öffnen und schlieÃen konnte, lieÃen Luft und Licht herein.
Das Geräusch von Hufen wurde laut. Usir, der ruhelos im Zimmer auf und ab ging, lehnte sich an den Fenstersims und lieà seine Blicke über den weiten, viereckigen Hof schweifen, wo zwei Stallknechte ihren Pferden Bewegung verschafften. Es waren zwei Stuten, die eine weiÃ, die andere schwarz, ihre Hufe waren in der Farbe des Königshauses türkisblau lackiert. Die Tiere tänzelten in nervöser Anmut um sich selbst. Ihre prachtvollen, wehenden Mähnen leuchteten im gleiÃenden Licht der beiden Sonnengestirne.
Nach der Audienz beim Priester-König hatte Usir die Gemächer aufgesucht, die er mit seinem Onkel teilte. Er hatte ein Bad genommen, Sklaven hatten seinen Körper massiert und ihn mit wohlriechendem Ãl eingerieben. Während die Müdigkeit nach und nach aus seinen angespannten Gliedern wich, wurde sein Geist klarer. Die wirren Gedanken, die ihm seit dem Kampf bei der Fraueninsel im Kopf herumgingen, hatten sich endlich beruhigt. Wozu leugnen, was doch sonnenklar war? Isas Schönheit und ihr Mut hatten sein Herz tief getroffen. Er liebte das Mädchen. Sie in den Händen des Priester-Königs zu wissen war ihm unerträglich. Und doch war er selbst an allem schuld. Er hatte sie zu seiner Gefangenen gemacht, sie dem freien Leben entrissen, das sie inmitten ihres Volkes geführt hatte, und sie in eine Welt gebracht, deren Verdorbenheit und Hinterlist er nur allzu gut kannte. Keine Gefangene, und wäre sie noch so kühn, konnte aus dem Palast entkommen. Von unaufhörlicher Wachsamkeit umgeben, wurde ihr geringstes Tun und Lassen
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