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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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beobachtet. Wie sollte man die Bespitzelung durch Sklaven vereiteln, die ihrem König fanatisch treu ergeben waren? Wie konnte man der Beaufsichtigung durch Wächter entfliehen, die an jedem Portal standen und deren scharfe Augen durch die Schlitze der schwarzen Helme hindurch alles kontrollierten?
    Wir alle werden überwacht, dachte Usir beklommen. Er wusste, dass in diesem Augenblick unsichtbare Augen auch ihn beobachteten. Das war schon immer so gewesen, seit seiner Kindheit. Er hatte sich schließlich daran gewöhnt. Usir holte tief Atem und wandte sich vom Fenster ab. Sein Blick fiel auf seinen Onkel, der in Gedanken versunken auf einem Stuhl aus Zedernholz saß. Er hatte weder gebadet noch seine Kleider gewechselt. Auch die Speisen, die auf einem Malachittisch bereitgestellt waren, rührte er nicht an. Usir war hungrig, doch die Höflichkeit verbot es ihm, das Mahl zu beginnen, bevor ihn sein Onkel dazu aufgefordert hatte. Ein junger Diener trat in den Raum. Er trug ein kunstvoll ziseliertes Tablett. Darauf standen, schon mit Wein gefüllt, zwei silberne Becher. Der Wein war gewürzt und gewärmt und sein angenehmer Duft erfüllte den Raum. »Edler Herr, der Priester-König sendet Euch diesen Willkommenstrunk«, sagte er mit niedergeschlagenen Augen.
    Â»Teile deinem Gebieter mit, dass wir ihm für die uns erwiesene große Ehre danken«, erwiderte Torr. Er gab dem Diener ein Zeichen. »Stelle den Wein auf den Tisch. Wir werden ihn gleich trinken.«
    Der Diener gehorchte. Dann verneigte er sich und verließ das Gemach.
    Torrs Augen schweiften durch den Raum und blieben an einem zahmen Äffchen hängen, das auf einer Truhe kauerte und mit seinen geschickten kleinen Händen eine Feige schälte. Das Fell des Tierchens war blau gefärbt; das Gesicht schien wie mit einer schwarzen Maske bedeckt, hinter der die Augen wie zwei Bernsteintropfen schimmerten. Mit einer leichten Gebärde und einem Kosewort rief Torr das Äffchen zu sich. Wie eine blaue Kugel sprang das Tier von Möbel zu Möbel und klammerte sich vertrauensvoll an Torrs Schulter. Der Admiral streichelte das Äffchen. Dann tauchte er einen Finger in den warmen Wein und hielt ihn dem Tier hin. Der Affe leckte den Wein mit sichtlichem Vergnügen, bevor er wieder Torrs Schulter verließ und lautlos und geschmeidig im Raum umhersprang.
    Eine Weile verging. Torr und Usir ließen das Tierchen nicht aus den Augen. Dann holte Torr hörbar Atem. »Jetzt lass uns den Wein trinken«, sagte er, »bevor er kalt wird und den Geschmack verliert.«
    Usir nahm den Becher, den er ihm anbot. Der Wein roch stark und süß. Beide Gefäße waren mit Delfinen und Tintenfischen verziert.
    Â»Eine schöne Arbeit!«, murmelte Torr wie ein Mann, dessen Geist anderswo weilt.
    Sie tranken. Der Wein schmeckte nach Kräutern und Honig. Usir spürte, wie er sein Blut belebte. Er leerte den Becher in einem Zug.
    Â»Du wirst dich über meine Vorsichtsmaßnahme gewundert haben«, fuhr Torr mit müder Stimme fort. »Du wirst denken, ich sei ein törichter alter Mann. Dennoch sollst du wissen, dass unser Leben bedroht ist. Vorerst das meine. Das deine«, fügte er mit schwachem Lächeln hinzu, »scheint es noch nicht zu sein. Ich habe den Eindruck, dass der Priester-König dich nach seinem Geschmack findet.«
    Usir runzelte die Brauen. »Wie kommst du darauf?«
    Â»In Atlars Gedanken vermag niemand zu lesen«, sagte Torr. »Doch ich habe so meine Ahnungen …«
    Usir senkte die Lider. Die Hitze setzte ihm zu und dazu bedrückte ihn seine eigene Verzweiflung.
    Torr richtete sich auf, durchmaß nachdenklich mit langen Schritten den Raum. »Ich habe in seinen Augen mein Todesurteil gelesen. Die Unterredung, die er mir zu gewähren wünscht, wird vermutlich die letzte sein.« Usir starrte ihn an. »Aber warum? Du hast ihm vierzig Jahre lang treu gedient!«
    Torr lächelte bitter. »Der Priester-König ist ein guter Menschenkenner. Er liest in meinen Gedanken und weiß, dass mein Stolz verletzt ist, weil ich die ›Schlange‹ verloren habe. Mein Geist ist von Zweifeln erfüllt. Aber ein Krieger, der Zweifel hegt, ist unbrauchbar und gefährlich. Er taugt zu nichts mehr und muss ersetzt werden. Meine Zeit ist jetzt gekommen …« Sein Mund verzog sich spöttisch. »Jedoch scheint Atlar darauf Wert zu legen, gewisse Formen

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