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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Wahrzeichen von Poseidonis, in den Himmel. Er glich einem Dreieck von zyklopischem Ausmaß. Aus seiner fein geschwungenen Spitze stieg ein kaum sichtbarer Rauchstreifen.
    Alles war öde und verlassen. Nirgends entdeckten die Amazonen auch nur eine Spur menschlichen oder tierischen Daseins. Die Schreie der Seeschwalben waren längst verstummt. Nicht die kleinste Eidechse war zu sehen, nicht der leiseste Laut eines Vogels zu hören. Nur eine große behaarte Spinne kroch über das Gestein und verschwand in einer Felsspalte.
    Die Frauen versuchten ihre Beklommenheit abzuschütteln. Sie stärkten sich mit einem Schluck aus ihren Feldflaschen und befestigten sie dann wieder an ihren Gürteln. Erneut machten sie sich auf den Weg. Sie wanderten auf verlorenen, von Gestrüpp und Brombeerranken überwucherten Pfaden. Schon seit langer Zeit schien hier niemand mehr vorübergekommen zu sein. Je höher die Sonnen stiegen, umso stärker lastete das Leuchten des doppelten Sonnengestirns in seiner glühenden Hitze auf den Amazonen. Der Erdboden war fahlgrau, fast weiß, und wurde von der Glut verzehrt. Die gelben Blätter schrumpften zusammen, die Blumen waren zu Staub zerfallen. Die Frauen zogen, eine hinter der anderen, auf dem gewundenen Pfad dahin. Trockener Sand versengte ihre Fußsohlen. Da und dort hatten kochend heiße Geysire die Erdoberfläche durchbrochen. Schwefelgestank lastete in der Luft.
    Plötzlich blieb Zena stehen. Was ist das?, dachte sie erschrocken.
    Roter Nebel breitete sich um die beiden Sonnen aus und drehte sich in Spiralen zu dichten Rauchschwaden. In dem wogenden Nebel erschienen die eng nebeneinander stehenden Gestirne wie klaffende Wunden. Die Wolken brodelten, als stünden sie unter dem Sog einer kolossalen Zentrifugalkraft. Mit einem Mal schien der Himmel zu bersten: Eine bläuliche Zickzacklinie teilte die Wolken und schoss auf die Erde hinunter. Der Donner dröhnte wie Hammerschlag aus einem Riesengong. Die Erde erzitterte. Windstöße wirbelten auf, schüttelten krachend und knarrend die verdorrten Bäume.
    Â»Rasch! Sucht einen Unterschlupf!«, schrie Zena.
    Die Frauen kletterten über Steine, liefen um Erdrisse herum und warfen sich schließlich atemlos in eine Felsspalte, wo sie das Gesicht an heißes Gestein pressten. Am Fuß der Klippen rauschte und schäumte der anschwellende Ozean. Tosende Wassermassen überfluteten den Strand. Blitze knisterten auf der Wasseroberfläche. Sand wehte dahin, in Wellen, in Schwaden, mit rasender Geschwindigkeit. Zena und ihre Gefährtinnen spürten ihn auf der Haut, im Mund, in den Augen und in der Nase. Dem Ersticken nahe atmeten sie die beißenden Dünste der von Schwefel und Salpeter getränkten Luft. Ein schrilles, unerträgliches Pfeifen erfüllte die Luft: Es war, als ob tausend entfesselte Geister gleichzeitig heulten, stöhnten, zischten und mit Donnergetöse und Windstößen das Ende aller Zeiten ankündigten.
    Ganz allmählich legte sich der Sturm. Das Brausen der Wellen klang langsam ab. Befremdende Stille breitete sich aus. Die Amazonen öffneten mühsam die staubverklebten Augen und krochen aus ihrem Unterschlupf hervor. Abschürfungen verunstalteten ihre Gesichter, die Haare hingen wirr über ihre Schultern. Alles an ihnen war rot: ihre Haut, ihr Haar, ihre Kleider. Und dieselbe dichte und zähe Sandschicht bedeckte Felsen, Bäume und Sträucher. Zwischen den rot glühenden Klippen leuchtete das Meer wie schmelzendes Magma. So weit die Blicke reichten, war die Landschaft in Rot getaucht und der Himmel schwefelgelb.
    Die Frauen zitterten vor Schreck. Der Schweiß rann ihnen klebrig über den Rücken. Ihre Kehlen brannten. Das Wasser aus ihren Feldflaschen, das sie gierig schluckten, schien ihnen nach Eisen und heißer Asche zu schmecken. Mit einer herrischen Gebärde gebot Zena ihnen Einhalt.
    Â»Vergeudet eure Wasservorräte nicht!«
    Stumm schritten sie weiter. Die Hitze war unerträglich. Die Luft glühte. Sonderbar dumpfes Getöse lief unter der Erde hin. Manchmal zitterte ein Baum, als ob in seinen vertrockneten Wurzeln noch Leben geblieben wäre. Zena schritt ruhig und gleichmäßig weiter. Selten wandte sie den Kopf zurück. Sie dachte weder an Müdigkeit noch an Rast und Ruhe. Die andern wussten es. Doch plötzlich - nach mehreren Stunden - tat sich am Horizont ein weiter Kranz von Bergen auf.

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