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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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selbst.
    Â»Die Küste ist nicht mehr weit entfernt«, sagte die Königin und griff entschlossen wieder nach dem Paddel. Bei Sonnenuntergang hob sich ein dunkler Streifen am Horizont ab. Er verbreiterte sich nach und nach und nahm die Formen von Felsen und die scharfen Zacken von Bergspitzen an.
    Â»Die Große Insel«, flüsterte Zena und zum ersten Mal glitt ein Lächeln über ihr Gesicht.
    Schon sank die Nacht herab. Es war eine Nacht voll milder Klarheit, lau und übersät von blassen Sternen. Kein Windhauch regte sich. Langsam fuhr die Piroge die Küste entlang auf der Suche nach einem Landeplatz. Das Wasser klatschte an die dunklen Felsen. Es roch nach Tang, heißem Sand und verwesten Algen.
    Am Fuß einer Klippe breitete sich im Halbkreis weißer Sand aus. Im seichten Wasser zogen die Amazonen die Piroge an Land.
    Â»Hier wollen wir für ein paar Stunden schlafen«, sagte Zena. »Vor Sonnenaufgang brechen wir nach Poseidonis auf.«

14
    Ãœber dem weißen Sandstreifen erhob sich eine steile, hohe Basaltwand, zweifellos der Überrest eines in längst vergangenen Zeiten erloschenen Vulkans. Sie erinnerte an eine gewaltige Mauer, die wie ein Bollwerk zum Himmel emporragte. Von diesem Küstenstreifen aus gab es keinen Zugang ins Landesinnere.
    Â»Wir werden daran hochklettern«, entschied Zena.
    Aufmerksam suchten sie mit Händen und Füßen nach Unebenheiten und Spalten und begannen ihren Aufstieg. Der Fels war festgefügt und bot wenig Halt. Sturm und Brandung hatten die Schwindel erregenden Hänge so lange gefeilt und geglättet, bis sie wie schwarz glänzende Spiegel stufenförmig aus den Klippen ragten. Der Aufstieg war anstrengend und gefahrvoll und wollte nicht enden. Tief unten wölbte sich das saphirblaue Meer. Flügelschlagen erfüllte die Luft: Seeschwalben, die in den Spalten der Felswand nisteten, umkreisten mit angriffslustigem Geschrei die Störenfriede. An den Felsen gedrückt hörte Zena unter sich den gepressten Atem der Gefährtinnen. Ihre scharfen Augen schweiften über die Umgebung, Späher entdeckten sie nicht. Doch die Vorsicht gebot den Amazonen, den oberen Rand der Klippe noch vor Tagesanbruch zu erreichen.
    Der Himmel wurde grau, dann grün und schließlich goldfarben. Langsam und schwerfällig stieg die Sonne aus dem Meer. Rot und an den Rändern etwas abgeflacht, trug sie wie eine ungeheure Geschwulst die flammende Kugel empor, die auf ihr zu lasten schien. Keuchend und erschöpft klammerten sich die Amazonen an den Felsen. Ihre Schultern und Knie schmerzten. Das brennende Licht traf ihre Augen: Es war, als ob Flammen aus dem schwarzen Gestein loderten. Sie spürten, wie der Basalt zuerst warm und dann immer heißer wurde.
    Â»Seht nur!«, rief Tula voller Entsetzen. »Das Gestirn ist in dieser Nacht noch größer geworden. Bald wird es die Sonne verschlingen!«
    Â»Das Ende ist nahe!«, flüsterte Sana, die jüngste der drei Kriegerinnen, während ihr ein leises Zittern über die Schultern lief.
    Â»Wir werden gerettet werden!«, stieß Zena heftig hervor. »Der schwarze Stein hat es mir zugesichert!«
    Voller Verachtung maß ihr funkelnder Blick die Gefährtinnen.
    Â»Amazonen, die zittern wie Kinder - welch eine Schande, welch ein Mangel an Selbstdisziplin! Zweifelt ihr an meinen Worten?«
    Verlegen neigten die Frauen die Köpfe.
    Mit ihrer freien Hand löste Zena den Dolch vom Gürtel. Die Klinge blitzte bläulich auf, während Zena mit herber Stimme fortfuhr: »Ich schwöre bei dieser Waffe, dass ich diejenige mit eigener Hand töten werde, die es wagt, Furcht zu zeigen!«
    Â»Verzeih uns, o Königin«, sagte Reg, die dritte Amazone, das Gesicht von Schamröte übergossen.
    Mit herrischer Gebärde steckte Zena die Klinge in die Scheide zurück. »Vorwärts jetzt! Der Weg ist lang!«
    Sie erklommen schließlich unversehrt die hohe Felswand. Da tat sich - so weit das Auge reichte - eine völlig neue Landschaft vor ihnen auf. Trockenheit hatte das einst fruchtbare, bewaldete Land verwüstet. Wie Aussatz zehrte die Dürre an Hibiskusbäumen und Rosenlorbeerbüschen. Nur noch als Gerippe aus Stämmen und Ästen ragten riesige Bäume in den Himmel. Wie die Arme eines Tintenfisches schlängelten sich die Rinnsale halb versiegter Quellen durchs Gestein. Im Westen ragte der Vulkan Teje, das

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