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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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fast scheuer Gebärde wandte er sich Ato, dem Harfenisten, zu. Aufgewühlt fiel ihm in dessen Gesicht die erstaunliche Ähnlichkeit mit ihm auf. Seine Augen waren die eigenartigsten, die Usir je gesehen hatte: goldbraun und von einer Klarheit, die sie fast durchsichtig schimmern ließ. Ato erwiderte verwundert seinen Blick und Usir spürte in dieser stummen Begegnung ein unsichtbares, vibrierendes Band.
    Â»Wer bist du?«, fragte schließlich der Harfenist. Seine Stimme klang müde und rau.
    Usirs Atem wurde schwer. »Ich bin dein Sohn«, sagte er leise.
    Die goldbraunen Augen ließen nicht von ihm ab. Usir fragte sich, ob er seine Worte wohl verstanden hatte.
    Doch dann öffnete Ato die Lippen. »Wo ist Atara?«, fragte er.
    Usir spürte sein Herz gegen die Rippen schlagen. »Atara - meine Mutter - starb bei meiner Geburt.«
    Atos Lider zuckten. »Und du … du bist ihr Sohn … ein erwachsener Mensch? Wie viele Jahre sind denn inzwischen vergangen, seitdem ich hier gefangen bin?«
    Usir holte tief Luft. Er schuldete ihm die Wahrheit. »Du hast zwanzig Jahre deines Lebens in dieser Finsternis verbracht.«
    Ato griff sich an die Stirn. »Zwanzig Jahre …«, murmelte er, »zwanzig Jahre …«
    Er wandte sich ab. Sein Gesicht lag im Schatten. Als er nach einer Weile den Kopf wieder hob, sah Usir, wie Tränen über seine Wangen glitten. Sein Körper zitterte wie von Schüttelfrost. Usir nahm seinen Mantel ab und legte ihn über Atos Schultern.
    Â»Vater«, sagte er, »wir wurden hintergangen und entehrt. Doch die Götter waren mir gnädig. Sie ließen nicht zu, dass ich dem Verhängnis zum Opfer fiel.«
    Er wies auf Torr, der schweigend und ergriffen zu ihnen getreten war. »Das ist der Mann, der mir das Leben gerettet hat und mir dazu verhalf, in den Besitz meines Erbes zu gelangen. Ich werde meine Mutter rächen und Atlars Herrschaft ein Ende bereiten …«
    Ein seltsames Kichern war hinter seinem Rücken zu vernehmen.
    Â»Dazu wird die Zeit nicht mehr reichen, König von Atlantis«, sagte eine höhnische Stimme.
    Usir fuhr herum. Es war Atlar gelungen, die Aufmerksamkeit der Amazonen von sich abzulenken. Die Falten seines Mantels blähten sich im Wind, während er wie eine riesige Fledermaus geräuschlos die Stufen hinabeilte.
    Usir erriet mehr, als er sah, Zenas blitzschnelle Bewegung. Er schrie: »Nein!«, und schlug mit der Hand nach dem gespannten Bogen. Der mit genau gezielter Kraft abgeschossene Pfeil wich von seiner Bahn ab, traf die Felswand und fiel zerbrochen zu Boden.
    Schon hatte Atlar den Saal durchquert. Er erreichte die Basaltpfeiler der Pforte der Zeiten; dort hielt er kurz an und blickte sich um. Das bleiche, spöttische Antlitz schien im Halbdunkel einen eigenen schwachen Schimmer auszustrahlen. Einige Atemzüge lang war es Usir, als ob Zeit und Raum für alle Ewigkeit stehen bleiben müssten. Dann wandte der Priester-König sich ab und trat in den Schatten der Pfeiler. Usirs Atem stockte. Was war denn geschehen? Von Atlar war plötzlich nichts mehr zu sehen. Die hohe Gestalt war verschwunden, aufgelöst wie eine Wolke aus Dunst. Und im selben Augenblick stieg wie aus großer Ferne und doch von überall her ein Furcht erregender, schriller Schrei auf: Er schien aus dem Innern der Erde, aus der Tiefe der Felsen emporzudringen. Alle, die diesen Schrei hörten, fühlten, wie ihr Blut erstarrte, wie sie das Grauen erfasste. Ein eisiger Windstoß fegte durch den Saal, die Fackeln knisterten und rauchten. Dann erstarb der gespenstische Klagelaut und ließ in dem Schweigen nur eine unerträgliche Angst, eine uralte und finstere Traurigkeit zurück.
    Zena fasste sich als Erste. Sie warf Usir einen düsteren Blick zu und sagte: »Mein Pfeil hätte ihm einen raschen Tod bereitet.«
    Mit grauem Gesicht flüsterte Isa: »Wir kennen den Tod und fürchten ihn nicht. Aber niemand von uns weiß, was uns jenseits der Pforte der Zeiten erwartet. Selbst er wusste es nicht …«
    Â»Er hatte sich selbst über sein Schicksal gestellt und die Götter beleidigt«, sagte Usir gepresst.
    Er fühlte Atos Hand auf seiner Schulter. Ihre Blicke trafen sich und sprachen zueinander. Dann sagte der Harfenist leise: »Jetzt haben ihn die Mächte der Finsternis in ihrer Gewalt. Sie werden ihn niemals freigeben.«
    Zenas gebieterische Stimme riss sie aus

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