Zwei Toechter und drei Hunde
Sachen zickzackt er wie ein kleiner schwarzer Blitz über die Wiese, umkreist dich hundertmal in der Sekunde mit dem Brillenetui, dem Füller, dem Pantoffel oder Manschettenknopf in der Schnauze, daß dir ganz schwummerig wird — Ritzewitz — zick — zack — ritz — ritz. Und dieses freche Gesicht solltest du dabei sehen!
Das Weffchen hat er natürlich vollkommen herumbekommen. Gestern, als wir im Moor waren, ist Weffi mit ihm Seite an Seite den Weg entlanggerast, wie ein Junger... Du weißt doch, daß es das größte Freundschaftszeichen bei euch ist, wenn ihr Seite an Seite rast und euch dabei manchmal so mit den Flanken anstoßt, die Augen ganz groß und voller Lust und die Zunge weit heraushängend, mit Schaum bedeckt. So hast du’s auch gemacht, mein Löwechen, als du dich endlich über den Tod des alten Peterchens getröstet und mit dem Kastenbart abgefunden hattest. Aber ganz so, wie ihr beide, sind Weffi und Ritzewitz doch noch nicht zusammengewachsen. Wenn der kleine schwarze Teufel den Weffi wie eine wildgewordene Hornisse umkreist und über seinen Rücken wegspringt oder ihm sogar mitten auf den Rücken hopst, auf ihm entlangsaust und über dem Kopf herunterkobolzt, schließt Weffchen noch immer wie betäubt die Augen und schnappt nach ihm. Natürlich beißt er immer nur in die Luft, denn da, wo er knurrend hinschnappt, ist Ritzewitz schon lange nicht mehr! Apropos: beißen! Stell dir vor: letzte Woche hat er, der Ritze, doch ganz ernsthaft angefangen, eines von unsern geretteten paar Prunkstücken aufzufressen! Aus dem Ulmer Meßgewänderschrank hat er eine ganze Leiste abgerissen, die ihm dann, ganz freiwillig, in Stücken vor die Füße fiel, weil sie doch schon vierhundertfünfzig Jahre alt und sogar für die Holzwürmer zu langweilig geworden ist...
Das Frauchen hat aber trotzdem fast geweint, denn das Geld, das sie sich für was Besonderes gespart hatte, bekommt nun plötzlich der Restaurator. Die Mama hat sich danach schnell den Kleinen gegriffen und hat sich mit ihm in ihrem Zimmer eingeschlossen.
Natürlich verstehe ich die Mama, aber auch Frauchen, denn es geht natürlich nicht, daß Peter unsere letzten Kulturreserven auffuttert. Bei ‘nem Schriftsteller weiß man ja doch nie, wie es weitergeht. Man könnte doch vielleicht eines Tages dem Publikum einreden, daß es nur noch weiße oder schwarze Unterentwickelte lesen kann. Dann müssen wir vielleicht noch selber die Renaissancetruhe aufessen. Dies gab ich zu bedenken, als der seltene Fall eintrat, daß Frauchen sich mir zuwandte und sagte: >Nun sag du doch auch mal was!<
So schlossen denn Mama und Frauchen durch die Tür einen Kompromiß: der Hund wird nicht verhauen, aber doch an den Tatort geführt und eindrücklichst verwarnt. So geschah es.
Das Frauchen ist Peters Gott, obwohl sie streng und viel auch ohne ihn unterwegs ist... Wenn ihr Wagen aus der Garage fährt, hört sein Leben auf. Zuerst schreit er auf, weint dann leise, um bald ganz aufzuhören. Er wird ganz still. Der Rest seiner Liebe genügt aber, um die Mama mit neuer Lebenslust und immer neuen Großmutterfreuden zu erfüllen. Sie macht ihm das Fressen zurecht, sie bürstet ihn, geht mit ihm an der Leine spazieren und sitzt dann mit ihm am Fenster auf Ausguck. Sie sitzt auf einem Stuhl und stellt einen zweiten für Peter neben sich. Aufs Fensterbrett legt sie für ihn ein weiches Kissen. Er steht aufgerichtet auf dem Stuhlsitz und legt, wie ein Mensch, die Vorderpfoten eingeknickt aufs Kissen, so daß sie aussehen wie ein Muff. Sie spricht dann leise mit ihm, und so warten sie stundenlang, auch wenn die Welt inzwischen sich draußen verändert, die Straßen dunkel, einsam werden. Aber dann ertönt einmal doch Frauchens Fanfare, und mit schrillem Freudenschrei saust Peter die Treppe hinab. Es kam dabei schon vor, daß er auf dem Gesicht zuerst unten landete, obwohl er doch so schnell ist.
Moment mal, Löwechen, was ist denn da im Hause los? Frauchen und die Mama sind doch weg, und trotzdem klirrt’s, als ob die Küche demoliert wird. Man hat doch wirklich nicht mal ‘ne halbe Stunde Zeit, sich zu unterhalten.«
Ich erhebe mich ächzend aus dem Liegestuhl. In der Bibliothek und in meinem Zimmer — nichts. Das Geräusch kommt von der Treppe, und am Fuße selbiger Treppe beobachte ich folgendes Schauspiel; Haupt- und Alleindarsteller: Ritzewitz!
Zuvor aber muß ich folgendes erwähnen:
Mit den neuen Zähnen gibt Peter ganz gewaltig an, und sie sind auch eine ganz
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