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Zwei Toechter und drei Hunde

Zwei Toechter und drei Hunde

Titel: Zwei Toechter und drei Hunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G Bentz
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Genüssen, die Ihrer harren. Margot nimmt den Schlüssel in Verwahrung und bringt ihn morgen mit ins Kolleg.«
    Er trägt es mit Humor, legt die Hand an den Kopf und knallt mit den Hacken: » Aye, aye, Sir! « Und dann mit einem Anflug von Eifersucht: »Hat sie ihren Schlüssel auch?«
    »Ich habe gar keinen Wagen mitgebracht. Im übrigen ist es sehr passend, daß Sie mit Ihrem aye, aye, Sir die maritime Form der Befehlsbestätigung wählen. Wir werden uns nämlich jetzt...«, ich ergreife die Flasche Gumpoldskirchner, »auf hohe See begeben.«
    Er nimmt die Flasche und betrachtet sie stirnrunzelnd: »Gumpoldskirchner? Das ist doch dieser Zauberwein, von dem, glaube ich, in einem früheren Jahr 250 000 Hektoliter geerntet und über 400 000 verkauft wurden! Ich will damit nicht etwa sagen...«
    »Aber mein Lieber! Ich hatte dieselben Bedenken, aber dieser ist ganz echt von der Quelle, aus einer uralten Kellerei. Außerdem hat man jetzt scharfe Kontrollen eingeführt. Eine Spätlese, wie Sie bitte beachten wollen! So, und nun setzt euch, Kinder — es geht los!«
    Margot stellt schnell die Brötchen auf den Tisch und entzündet eine dicke Honigkerze, während ich eingieße. Wir stoßen an, mit schönen alten Kristallkelchen, die Margot sich von Frau Singer geborgt hat. Die Gläser klingen, die Kerze weht im Zug, der durchs halboffene Fenster aus der warmen Nacht kommt, und unsere Gesichter verändern sich in ihrem Schein. Tiefe Schatten in den Flächen, mal die linke, mal die rechte Hälfte erleuchtet, mal nur eine Hand, eine Stirn.
    Das Professorchen versteht offenbar etwas von Wein. Er kaut ihn — dann verklärt sich sein Gesicht: »Groß! Diese Spitze — unvergleichlich! Mein Kompliment, Colonel! Ich darf Sie doch so nennen?«
    »Sie dürfen. Nach dem sechsten Glas kennen wir uns sowieso seit tausend Jahren!«
    Er leert das Glas und stößt ein genüßliches »Aahh!« aus. Margot gießt ihm sofort nach. Er droht mit dem Finger.
    » In vino veritas! « erklärt sie.
    Er blickt zwischen uns hin und her und lacht: »Aha, ich soll sozusagen auf den Seziertisch! Also los, geniert euch nicht.« Damit kippt er das zweite Glas, steht auf, schmeißt dabei den Stuhl um, stellt ihn vorsichtig wieder auf und verbeugt sich: »Name: Enrico Zimmermann. Für den Vornamen kann ich nichts, meine Mutter war Italienerin. Sängerin. Papa heiratete sie von der Bühne weg und hielt sie zwanzig Jahre lang aus Eifersucht buchstäblich gefangen. Gefiel ihr aber gar nicht schlecht. Italienische Frauen sind ja anders in dieser Beziehung.«
    »Raffinierter«, sagt Margot.
    Wir starren sie einen Moment verwirrt an. Sie hat sich nicht am Wein beteiligt, sondern trinkt statt dessen Hennessy. Offenbar ist es nicht der erste, den sie jetzt hinunterschüttet, bevor sie würdevoll sagt: »Ich wollte Sie aber nicht unterbrechen, Herr Professor.«
    Diese Entschuldigung wird in ihrer Feierlichkeit dadurch gemildert, daß sie den Mund voll Käsehappen hat. Zimmermann und ich wechseln einen Blick gerührten Verständnisses: »Ist sie nicht entzückend?<
    »Sie wollten von Ihrer Familie berichten.«
    »O ja, wo war ich gleich...«
    »Bei Ihrer von Papa gefangengehaltenen Frau Mutter.«
    Margot nimmt sich ein Brötchen mit Ei und Sardelle: »Sie hatte es gern, sagten Sie. Ich hätte aus Ihrem Papa Kleinholz gemacht.«
    Zimmermann, abermals aus dem Takt gebracht, reißt sich zusammen: »Papa focht drei Duelle ihretwegen aus. Nur über die Kindererziehung konnten sie sich nicht einigen.«
    »Das merkt man«, erklärt Margot und gießt sich einen weiteren Hennessy ein, während Zimmermann erregt das dritte Glas leert. »Wieso?« fragt er und nimmt Margots Hand.
    »Hören Sie nicht auf sie«, versuche ich ihn zu besänftigen und gebe ihr unter dem Tisch einen Tritt. Sie sagt »Aua!« und sieht nach ihrem Schienbein. Derweil nehme ich ihr die Hennessyflasche weg. Margots Kopf mit zerzaustem Haar und blitzenden Hennessy-Augen kommt unter dem Tisch vor und sagt zu Zimmermann: »Weil Sie selber so — so unharmonisch sind.«
    Er kaut eine Weile an dieser sibyllenhaften Äußerung. Dann trinkt er das vierte Glas aus, und sein Gesicht verklärt sich: »Ah, jetzt verstehe ich Sie! Sie meinen die Zwiespältigkeit meiner Natur!« Zu mir gewandt: »Bemerkenswerte Intuition! Tja, wir sind nun mal das Produkt aus zwei Ahnenreihen, einem Milieu und dem, was uns zustößt.«
    Ich sehe eine Gelegenheit, die Situation zu entschärfen: »Und noch etwas mehr.«
    »Das wäre?«

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