Zwei Wochen danach (German Edition)
im Gespräch der beiden Jungen belauscht, berührt sie sehr.
Dann steigt sie die Treppe nach oben zu Veronika, die auf dem Koffer hockt, um ihn zuzudrücken.
„Sie spielen Beerdigung!“, sagt sie zu ihr.
Vroni wirkt gelassen. „Justine spielt immer alles nach, was er erlebt hat. Mach dir keine Sorgen, Kristel.“
Erschöpft setzt sich Kristel auf die Liege und schaut Vroni zu. Auch sie sagt heute kein Wort zu viel.
„Wir dürfen Pit nicht vergessen!“, fällt Kristel ein.
„Aber ins Restaurant würde ich ihn nicht mitnehmen!“ Veronika schüttelt den Kopf.
„Nach dem Essen fahren wir“, sagt sie zu Kristel.
Dann steht sie auf und stellt den Koffer an die Tür. „Glaubst du, dass Heike zurechtkommen wird?“
„Du hast so viel für sie getan, Vroni!“
Kristel streckt die Hand nach Veronika aus. „Komm mal her!“ Sie legt den Arm um sie und das Leid in ihrem Hals schmerzt dabei. Kristel schluckt.
„Ich denke darüber nach, ob wir hier einziehen.
Ich muss aber noch mit Ludwig reden. Er weiß noch nichts davon.“
Vronis Gesicht verzieht sich und sie umarmt Kristel. Sie sagt nichts, doch Kristel spürt ihre Erleichterung.
„Dann muss Heike das Haus nicht verkaufen!“, sagt Kristel.
„Sie ist anders als ich!“, bringt Vroni unter Tränen hervor.
„Ich weiß“, Kristel drückt sie wieder an sich. „Sie kann schlecht allein sein.“
***
(Heike)
Veronika hatte ihr angeboten mitzukommen, aber Heike hielt das nicht für eine gute Idee.
Jetzt steht sie hier, sieht die Weite des Platzes vor sich und muss auf einmal an Afrika denken.
Damals hat sie immer befürchtet, es könnte etwas mit den Maschinen sein. Wie oft hat sie Angst gehabt, als Sebastian sich verspätet und sich nicht gleich gemeldet hat.
Irgendwann war es zur Gewohnheit geworden. Heike hatte im Behandlungszentrum selbst so viel zu tun, dass ihr kaum Zeit blieb, darüber nachzudenken.
Und hier holt sie die Vergangenheit ein. Hier, wo Heike es nie erwartet hat, passiert dieses fürchterliche Unglück.
Ausgerechnet jetzt, wo sie Kinder haben. Heike schließt die Augen, schaut nach oben und dreht sich im Kreis. Die Bewegung hilft ihr, den Schmerz auszuhalten.
Nächstes Jahr wollten sie mit Pit und Marcus das erste Mal hinüberfliegen.
Was werden unsere Bekannten dort sagen, wenn sie erfahren, dass Sebastian nicht mehr lebt?
Bei dem Gedanken stoppt sie abrupt. Sie muss weinen, weint laut und hält sich die Hände vor ihr Gesicht.
Aus der Reise wird nichts werden, das weiß Heike. Sie braucht jetzt jeden Cent.
Sie wird das Haus verkaufen und sie hofft, dass es lange dauert, bis sie einen Käufer findet, denn sie weiß noch nicht, was sie dann machen wird. Wohin sie soll.
Langsam läuft Heike quer zur Rollbahn, duckt sich unter der Schranke vorbei, geht die Straße entlang und bleibt stehen. Heute ist niemand hier. Auch der Flugplatz scheint zu trauern.
Ihr ist kalt. Heike steckt ihr Taschentuch ein, welches sie die ganze Zeit in ihrer Hand behalten hat, und schlingt ihre Jacke um sich.
Sie muss mit Marcus reden, denkt sie.
Damit sein kleiner Geist verstehen kann.
Nur noch schnell ein paar Meter hinüberlaufen und dann fahre ich zurück!
***
(Nicole)
Die Schwestern haben Ralph in seinem Bett etwas höher gelegt, als die Ärzte gegangen sind.
Alle stehen wir um ihn herum und keiner sagt etwas.
Sie scheinen gespannt zu sein, ob er sich erinnern wird.
Ich nicht. Ich merke es gleich an seinem Blick. Dass sein Erinnerungsvermögen da ist und er von dem Unfall keinen Schaden genommen hat.
Er hat mich nicht mehr oder weniger beachtet als die anderen. Obwohl ich kam, als alle schon da waren.
Stattdessen hat er nach dem gefragt, der an seinem Bett gefehlt hat. Von Minute zu Minute wächst mein Hass gegenüber seinem Vater.
Und ich glaube, dass ich in diesem Moment aufgehört habe, Ralphs Frau zu sein.
Renate hat mich zu ihm vorgelassen und mein Mund streifte flüchtig seine Stirn. Sein Blick blieb auf seine Mutter gerichtet.
„Vater?“, deuteten seine Lippen an.
Die ganze Zeit habe ich mir Gedanken darüber gemacht, wie ich reagiere, wenn Ralph aufwacht. Und jetzt, wo es soweit ist, hätte ich nie erwartet, dass er so sein kann!
Obwohl ich ihm selbst in Gedanken nicht treu geblieben bin und obwohl ich ihn seit fast 20 Jahren kenne und eigentlich mit seiner Reaktion rechnen müsste, enttäuscht sie mich. Ich bin gekränkt.
„Wir sind so froh, dass du wieder bei uns bist“, sagt Renate zu ihm. Von
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