Zwei Wochen danach (German Edition)
ihre Mutter kommen ihr zu Hilfe.
***
(Nicole)
Ich sehe den Korb mit unzähligen dunkelroten Rosen an Sebastian Awes Grab.
Was ich in der Trauerhalle im Zaum gehalten habe, gelingt mir jetzt nicht mehr. Ich heule los, wie Renate schon die ganze Zeit vorher.
Als ich nach unten blicke, betrachte ich die weiße Rose in meiner Hand. Ich hätte sie nicht gebraucht, denke ich.
Und ich befürchte, dass sie den Anschein erwecken wird, meine Beziehung zu Sebastian Awe war etwas Besonderes.
Es ist an der Zeit, nach vorn zu treten. Ich bleibe stehen, viele Momente lang, und spreche in Gedanken mit dem Piloten.
Dann lasse ich die Rose fallen. Sie bleibt liegen inmitten von dunkelroten Schönheiten und ich starre sie an.
Renate ist zu mir getreten. Ich spüre ihre Hand an meiner. Sie nimmt eine Rose aus dem Korb, wirft sie hinab, bekreuzigt sich und nimmt mich mit nach hinten.
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(Heike)
Heike konnte nicht lange bei den vielen Menschen vor dem Friedhof stehen. Sie hatte ihre Eltern gebeten, Marcus mit nach Hause zu nehmen. Veronika könne sich an Thomas wenden.
Gegen halb zwölf machte sie sich auf den Weg zum Flugplatz.
Gleich an der nächsten Tankstelle musste sie anhalten. Sie hatte die Arme auf dem Lenkrad verschränkt und in sie hinein geweint. Dann war es gut und sie konnte weiterfahren.
***
(Nicole)
Ich fahre mit Renate direkt zum Krankenhaus. In einer Seitenstraße erhasche ich einen kostenfreien Parkplatz.
Den ganzen Morgen habe ich nicht an Ralph gedacht, fällt mir ein.
Ich hake mich bei Renate unter und wir laufen zum Eingang hinüber. Es sind nicht viele Besucher da um diese Uhrzeit.
„Ich hab ein komisches Gefühl“, sagt Renate und wird langsamer.
„Heut ist ein komischer Tag !“, antworte ich und frage mich, was sie sonst damit meinen könnte.
Wir müssen lange auf den Fahrstuhl warten. Noch länger als gestern, denke ich.
Als sich die Tür öffnet, steigen drei Ärzte mit lässig offenen Kitteln aus und gehen in Richtung Cafeteria.
***
(Joachim)
Nicht mal gefrühstückt habe ich. Die Wirkung wird sich zeigen. Umso besser.
Als Raphael Susanne davon überzeugt hatte, dass sie nichts erreichen kann, sind die beiden gegangen.
Ich habe mich angezogen und seitdem sitze ich hier.
Meine liebe Renate.
Es ist der erste Brief, den ich schreibe, seit wir das Geschäft aufgegeben haben. Und es ist der schwierigste Brief, den ich je in meinem Leben geschrieben habe.
Ich merke, wie mein Gesicht an Farbe verliert. Es ist mir nicht wohl. Ich stehe auf und laufe im Zimmer umher, dann setze ich mich wieder und greife zum Stift.
Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll. Vielleicht einfach damit, dass es auch der letzte Brief in meinem Leben sein wird, den ich schreibe. Dann bist du nachher nicht so geschockt, wenn du
Meine Hand zittert so sehr, dass die Buchstaben ausschlagen. Ich sehe die Schrift eines Kindes vor mir.
Ernsthaft überlege ich, ob ich weiterschreiben oder den Brief zerreißen soll.
***
(Nicole)
Als der Fahrstuhl im ersten Stock hält, entdecke ich Raphael. Er hat mir den Rücken zugewandt und telefoniert.
Schnell ziehe ich Renate hinaus, bevor die Türen schließen können, und gehe zu ihm hinüber.
„Mama!“, ruft er, als er mich sieht. „Papa ist wach!“
Mir wird heiß. Ich weiß nicht, was ich denken soll.
Raphael knallt den Hörer auf und will uns mit nach oben nehmen.
Doch ich kann nicht. Kann nicht so schnell.
Nur Renate lässt es sich gefallen. Sie ist außer sich vor Freude und tippelt mit dem engen Rock hinter Raphael her.
***
(Kristel)
„Ich bewundere Sie, Thomas. So etwas hätte ich nicht fertig gebracht!“ Ludwig ist immer noch gerührt von Thomas Worten. Die ganze Zeit hat er nichts sagen können, hat Kristel nur schweigend im Arm gehalten, vor dem Grab. Ganz fest.
„Ich habe es unzählige Male geübt daheim. Nur durch die Routine ging es“, antwortet Thomas.
Es ist ein schlimmer Vormittag gewesen und Kristel ist froh, dass er vorbei ist. Jetzt fühlt sich alles eher wie Alltag an. Die Kinder spielen in Marcus Zimmer, Veronika packt die Koffer und sie sitzen hier mit Thomas und Günter und unterhalten sich.
Für 13 Uhr hat Veronika einen Tisch bestellt. Bis dahin ist vielleicht auch Heike zurück. Kristel kann gut verstehen, dass sie jetzt allein sein will. Und sie glaubt auch, dass ihr das niemand übel nehmen wird.
Kristel steht auf, geht zur Toilette und horcht kurz an der Kinderzimmertür. Was sie
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