Zwei Wochen danach (German Edition)
Luftfahrtbundesamt und die Telefonrechnung.
Ich muss mich um den ganzen Bürokratie-Kram kümmern, denkt Heike, als sie das Kaffeepulver in den Filter gibt und die Maschine einschaltet. Dann öffnet sie den Brief vom Luftfahrtbundesamt.
Sehr geehrte Frau Awe,
als Vertreter der Luftfahrtbundesbehörde möchte ich Ihnen unser tiefstes Beileid aussprechen.
Der oben angegebene Sachverhalt wird derzeit von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung geprüft. Wir bitten Sie um Verständnis, dass bis zur Erstellung des Unfallberichtes mehrere Monate bis zu einem Jahr vergehen können.
Außerdem weisen wir Sie darauf hin, dass das alleinige Ziel der Untersuchung die Verhütung künftiger Unfälle und Störungen ist. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens, der Haftung oder von Ansprüchen.
Mit freundlichen Grüßen
Heike legt den Brief weg und öffnet die Telefonrechnung. Es ist, als würde sie das alles gar nicht betreffen.
Sie möchte auch nicht weiter darüber nachdenken. Wie gut, dass der Brief so nüchtern geschrieben war. Es interessiert Heike nicht, warum dieser Unfall passiert ist. Was würde es ihr schon nützen?
Sie steckt die Rechnung wieder in den Umschlag und legt beide Briefe beiseite.
Mit einem Mal muss sie an die Frau des Piloten denken.
Sie ist heute bei der Beerdigung gewesen, aber Heike hat nicht persönlich mit ihr gesprochen.
Ich wollte sie längst anrufen, um mich nach ihrem Mann zu erkundigen, erinnert sich Heike.
Es wird ihm gut gehen. Sonst wäre sie heute nicht gekommen! Trotzdem, Heike muss sich unbedingt bei ihr melden. Sie darf sich keine Vorwürfe mehr machen. Es ist Schicksal. Keiner kann das beeinflussen.
Heike stellt auch die Kaffeekanne auf das Tablett und trägt es ins Wohnzimmer. Dort verteilt sie das Geschirr und die kleine Schüssel Kinderkekse auf dem Tisch.
Marcus sitzt bei Heikes Mutter auf dem Schoß und sie reden, während der Opa vor Pits Augen ein Puzzle legt.
Heike hört Marcus fragen. „Und warum?“
„Weil es dann einen Ort gibt, an dem du deinen Papa besuchen kannst.“
Heike tut es leid, dass ihre Mutter jetzt ihr Versäumnis aufholen und Marcus Rechenschaft ablegen muss.
Und doch ist sie froh darüber. Ihre Mutter hat doch etwas mehr Abstand zu den Dingen als Heike.
Nur gut, dass Pit noch so klein ist, denkt sie, als sie ihn beobachtet.
Und dann fällt ihr der Abend ein. Heute wird sie das erste Mal seit dem Unglück allein sein.
Am liebsten würde sie Pit und Marcus in ihr Bett holen, doch sie hat Angst, ihre Söhne zu verwöhnen.
Zu aller Not könnte sie Thomas anrufen. Aber irgendwann muss sie auch ohne Thomas klarkommen. Er hat schon so viel getan.
„Kaffeetrinken!“, ruft sie, als immer noch keiner reagiert, und Marcus rutscht von Omas Beinen.
***
(Nicole)
Ich sehe an Raphael vorbei und entdecke Renate, die suchend in der Eingangstür der Cafeteria steht.
Sie hält einen Brief in der Hand.
Es stimmt was nicht, denke ich und laufe ihr schnell entgegen. „Renate, hier. Hier sind wir!“, winke ich.
Ihre Augen schauen verschreckt und als ich näherkomme, sehe ich, dass sie die hellen Halbschuhe trägt. Sie muss in Eile gewesen sein. Eine Jacke hat sie auch nicht an.
***
(Heike)
„Soll Mama euch etwas vorlesen?“
Marcus ist begeistert. Er geht in sein Zimmer, um ein Buch auszusuchen.
Ihre Eltern haben nach dem Kaffee beschlossen zu fahren. Ihr Vater muss morgen wieder arbeiten.
Der Abschied war nicht leicht für Heike und ihre Mutter hat es ihr angesehen. „Ich fahre morgen mit Ludwig mit und besuche dich!“, hat sie gesagt und Heike hat sich gefreut.
Marcus kommt mit dem Struwwelpeter zurück.
Heike mag dieses Buch nicht, was noch aus ihrer Kindheit stammt. Ihre Mutter hat es für sie aufgehoben und Marcus kann nicht genug davon bekommen.
Während er die richtige Seite sucht, überlegt Heike, ob sie nachher noch mit den Kindern nach draußen gehen soll.
Sie nimmt es sich für morgen vor, heute mag sie sich lieber verkriechen.
Sie genießt es, mit ihren Söhnen auf der Couch zu kuscheln.
Marcus hält den Finger unter die Überschrift und tut, als ob er lesen kann.
„Die Ge-schich-te von dem Feuer-zeug“, sagt er langsam und sein kleiner Finger gleitet Stück für Stück nach rechts.
„Die gar traurige Geschichte mit dem Feuerzeug“, wiederholt Heike und beginnt:
"Paulinchen war allein zu Haus,
Die Eltern waren beide aus.
Als sie nun durch das Zimmer
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