Zwei Worte bis zu Dir - Die Wildrosen-Insel 1: Ein Serienroman (German Edition)
strich sie über Jennas Haare, dann schloss sie die Tür hinter den beiden.
Keine Sekunde zu früh. Außer Atem lehnte sie mit dem Rücken an der Tür und versuchte, ihren Kopf wieder freizubekommen. Ihre Ängste vor dieser Begegnung hatten sich nicht nur bestätigt, sondern waren noch weit übertroffen worden. Ihn zu sehen war schmerzvoll, außerdem versetzte es jede Faser ihres Körpers in Aufruhr.
Dieser eindringliche Blick. Die kräftigen Schultern, an die sie sich so oft beim Tanzen geschmiegt hatte. Seine großen und doch zarten Hände, mit denen er sie all die Jahre über wie kein anderer zu berühren verstand.
Warum dachte sie ausgerechnet jetzt an Sex? An den verregneten Nachmittag, als sie sich nach einer Reifenpanne auf einem verlassenen Feldweg im Wagen geliebt hatten, während der Atem die Scheiben von innen vernebelte, und an den peinlichen Moment, als der Pannendienst eintraf? Oder an die Silvesternacht vor drei Jahren, als sie von der Party auf einem Kreuzfahrtschiff kurz vor Mitternacht in ihre Kabine verschwunden waren, um dem Höhepunkt des Jahres eine ganz eigene Definition zu geben?
Es war ihnen immer schwergefallen, die Finger voneinander zu lassen. Vom ersten Tag ihrer Beziehung an bis zum letzten. Umso schockierender war der Moment, als Vanessa erfuhr, dass er diese intimen Momente auch mit einer anderen geteilt hatte. Mit einer Frau, die ihr gesamtes Glück von einem Tag auf den anderen zerstört hatte.
Nein, dieser Mann verdiente keinen einzigen ihrer Gedanken. Er war es nicht wert, dass sie sich an großartigen Sex erinnerte oder dass sie das leichte Kribbeln auf ihrer Haut zuließ, das allein die Erinnerung an gewisse Momente ihrer Beziehung verursachte.
Er hatte sie betrogen und damit alles zerstört, was ihr lieb und teuer war. Das allein durfte jetzt noch zählen. Jeden anderen Gedanken würde sie sich ab jetzt aus dem Kopf schlagen, ganz gleich, zu welchen Mitteln auch immer sie greifen musste, um das zu schaffen.
* * *
»Ich verstehe gar nicht, was du gegen meine Idee einzuwenden hast.« Kim zog eine silberne Bluse heraus, betrachtete sie prüfend und hängte sie wieder zurück an den Ständer mit dem verlockenden Schild Sale .
»Was ich dagegen einzuwenden habe? Soll das vielleicht ein schlechter Scherz sein? Ich werde mich doch nicht auf eine Affäre mit einem Typen einlassen, der mich verarscht und betrogen hat und nach zwei Jahren hier auftaucht, als wäre nichts gewesen.«
»Von Affäre hat niemand was gesagt«, antwortete Kim, während sie in wie immer viel zu hohen Riemchen-Pumps neben Vanessa durch die Gänge der Boutique stöckelte. »Ich rede davon, ihn vielleicht ein- oder zweimal in dein Bett zu lassen, um ihm danach die rote Karte zu zeigen. Das wird schlimmer für ihn sein als jede Abfuhr, die du ihm jetzt geben könntest. Er wird leiden, er wird bluten. Und er wird endlich begreifen, was er verloren hat.«
»Das hat er bereits jetzt begriffen.« Vanessa lehnte sich gegen ein Regal neben den Garderoben. »Dafür muss ich ihn nicht derart quälen. Und mich gleich mit.«
Kim seufzte. »Ach daher weht der Wind. Du hast Angst, dich wieder in ihn zu verlieben. Das sind wir doch schon so oft durchgegangen, Liebes. Sex muss nicht zwingend etwas mit Liebe zu tun zu haben. Manchmal kann man sich sogar am besten entspannen, wenn man keinerlei Erwartungen damit verbindet.«
»Und genau das ist es, was uns voneinander unterscheidet, Kim. Die Erwartungen! Während ich an die wahre Liebe glaube, geht es für dich immer nur um Sex und Selbstbestätigung.«
»So schätzt du mich also ein, ja?« Sie imitierte die Beleidigte.
»Du weißt, was ich meine.«
»Eben.« Kim legte den Arm um ihre Schulter. »Und deshalb solltest du mir auch vertrauen. Ein bisschen Leidenschaft wird dir gut tun. Außerdem hast du selbst gesagt, dass du mit ihm damals den besten Sex deines Lebens hattest.«
Vanessa schaute sich irritiert in der überfüllten Boutique um. »Geht’s vielleicht noch ein bisschen lauter?«
Kim lachte. »Nun mal nicht so verklemmt, Süße. Wir wissen doch beide, dass stille Wasser tief sind. Und genau deshalb denkst du insgeheim auch schon lange darüber nach, wie du meine Idee in die Tat umsetzen kannst.«
»Das ist doch Blödsinn!«
Blödsinn, ja. Das war es tatsächlich. Nichts war dümmer als der Gedanke, sich erneut – egal in welcher Form und aus welchem Grund – auf Lenny einzulassen. Allerdings gab es tatsächlich etwas an Kims Worten, das Vanessa
Weitere Kostenlose Bücher