Zweiherz
verstehen gegeben, dass sie auf Bob warten wollte, egal für wie viele Jahre sie ihn eingesperrt hätten. Weißt du, was sie gesagt hat, Kaye?« Er sah seine Nichte an. »Sie hat gesagt, dass sie genauso auf Bob warten würde, wie Kaye Kingley auf Will Roanhorse gewartet hat.«
Kayes Herz krampfte sich zusammen. »Weiß sie es schon?«
Thomas erhob sich so schwerfällig, als trüge er einen Felsbrocken auf seinen Schultern. »Nein«, antwortete er. »Ich habe die Nummer ihres Ladens in Klagetoh, aber ich möchte es ihr nicht am Telefon sagen. Ich werde jetzt zu ihr fahren. Ich wollte nur vorher mit dir reden.«
»Danke, Onkel.«
Thomas öffnete die Tür und die kleine Glocke am Eingang schellte. »Was macht eigentlich Will?«, fragte er.
»Er arbeitet mit Ashie und Hoskie auf der Ranch. Wir werden im Herbst zusammen aufs College nach Tsaile gehen. Er will Sozialarbeiter werden und ich habe mich für Kunst und Stammesgeschichte entschieden.« Kaye lächelte. »Ach, beinahe hätte ich es vergessen: Dad kommt am Freitag zurück. Ich lade euch am Sonntag alle zum Abendessen ein.«
»Dann bis Sonntag. Wilma und die Kinder werden sich über die Einladung freuen«, sagte Thomas und schloss die Ladentür hinter sich.
24. Kapitel
A uf der Straße nach Holbrook flimmerte die Luft über dem Asphalt. Auf dem Beifahrersitz des Jeeps sang Sam Roanhorse leise vor sich hin. Er versuchte, sich auf seine Operation vorzubereiten, bei der der Nebelschleier aus dem rechten Auge entfernt werden sollte. Er hatte sich schließlich doch noch überzeugen lassen. Kaye hatte ihn damit gelockt, dass er dann auch seine Urenkel würde richtig sehen können, die bald, in naher Zukunft, zu erwarten wären. Und außerdem musste er Will ja noch die Technik des Silberklopfens beibringen.
Will hatte vor einer Stunde seinen Schülerführerschein in Window Rock abgeholt und fuhr Kayes Jeep. Im Krankenhaus begleitete er seinen Großvater noch bis ins Behandlungszimmer, dann überließ er ihn der Obhut einer freundlichen Navajo-Schwester. Sam wollte es so. Seit er mit Josef Yazzie geredet hatte, wusste er, dass er gute Chancen hatte, die Nächte im Hospital zu überleben, obwohl es ein Krankenhaus der bilagáana war.
Will besuchte Aquilar. Sein Freund stand, auf Krücken gestützt, am Fenster und sah hinaus. Diesmal waren die Neuigkeiten noch nicht bis zu ihm vorgedrungen, und er lauschte ungläubig, während Will ihm stockend berichtete, was vorgefallen war.
»Irgendwie habe ich so etwas vermutet«, sagte Aquilar. Dann schwieg er eine Weile, starrte auf den Beton des Parkplatzes und wartete, dass die Leuchtschrift erschiene. Die Antwort auf alles. Natürlich passierte nichts, der Asphalt blieb dunkel.
»Ich weiß nicht, was ich fühlen soll«, sagte er leise. »Bob hat etwas ziemlich Dummes getan, aber er hat versucht, seinen Fehler wiedergutzumachen. Vielleicht war er nicht unbedingt der Schwager, den ich mir immer gewünscht habe, aber ich hatte auch nichts gegen ihn so wie mein Vater.« Aquilar stellte seine Krücken um und schob den Körper hinterher. »Ich dachte immer, der Tod sei keine Lösung. Doch diesmal war er es vielleicht.«
»Bob hätte sich an die Polizei wenden können«, sagte Will. »Ich meine, bevor er diesen Rost und Ted Northridge umbrachte.«
»Glaubst du, mein Vater hätte ihn nach diesem Vertrauensbruch mit der gestohlenen Karte noch in unserer Familie aufgenommen?«, fragte Aquilar zweifelnd.
»Er hätte mit Maria weggehen können«, bemerkte Will, der seit einigen Nächten die Welt mit völlig anderen Augen sah.
Aquilar nickte, als könne er verstehen, was der Freund meinte. Aber dann sagte er: »Maria kann nicht weggehen. Sie gehört ins Res.«
»Das Res ist groß.«
»Nicht groß genug, wenn man das Erbe seines Volkes an die bilagáana verkauft hat«, erwiderte Aquilar. »Aber streiten wir nicht deswegen. Es macht mich krank, dass ich hier festsitze und nicht bei meiner Familie sein kann. Nicht bei Maria, meiner Schwester. Mein Vater wird nicht gerade freundlich zu ihr sein. Die Sache ist sehr beschämend für ihn.«
»Aber Maria kann doch nichts dafür.«
»Sie hat sich in den falschen Mann verliebt.«
Will sah weg.
»Ich würde ihr gerne helfen und sitze hier fest«, klagte Aquilar.
»Wie geht es deinen Beinen?«, fragte Will, um das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. »Du siehst aus, als würdest du gleich davonlaufen.«
»Das täuscht. Bis ich hier rauskomme, wird es noch mal vier Wochen
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