Zweiherz
Stuhl frei, auf dem gestapelte Webdecken gelegen hatten. Sie schloss wieder ab, obwohl es nicht so aussah, als ob in der nächsten halben Stunde jemand kommen würde. »Möchtest du einen Kaffee?«
»Ja, gern.« Thomas sah müde aus.
Während Kaye die Kaffeemaschine anstellte, fing er an zu erzählen. »Am Sonntagmorgen - ich hatte Dienst und saß in meinem Büro - klingelte das Telefon. Es war Maria Yazzie, sie wollte mit mir sprechen. Es war dringend. Ich ahnte ja, warum sie mich aufsuchen wollte, und hatte Angst, ihr in die Augen zu sehen.« Er starrte auf die Keramikgefäße in den Ladenregalen. »Aber ich war völlig verblüfft, als sie nicht allein kam. Sie hatte ihren Freund Bob mitgebracht. Der junge Mann war unglaublich ruhig, als er mir seine Geschichte erzählte.«
Kaye reichte ihrem Onkel einen tönernen, blau glasierten Kaffeetopf und er nickte dankbar. »Atisi erzählte mir, dass er, seit er Maria kannte, keinen Alkohol mehr angerührt hatte, dafür aber der Anziehung von Ted Northridges Bingohalle nicht widerstehen konnte. Die Spielleidenschaft hatte ihm das letzte bisschen Menschenwürde genommen. Er hatte gespielt, er hatte verloren und eine Menge Schulden bei Northridge gemacht. Und als der jemanden suchte, der wusste, wo sich abgelegene Felszeichnungen befinden, sah Atisi seine Chance gekommen. Er hoffte, seine Schulden loszuwerden und mit Maria ein neues Leben anfangen zu können. Atisi stahl Marias Vater die Karte und verkaufte Northridge sein Schweigen und die Standorte der drei Zeichnungen für so viel Geld, dass er schuldenfrei war. Aber dann... dann passierte das Unglück mit Aquilar.«
Thomas nahm einen Schluck von seinem Kaffee, und Kaye konnte es kaum erwarten, dass er weitererzählte. »Obwohl Northridge und dieser Rost Atisi erzählt hatten, die Sache mit Aquilars Beinen wäre ein Unfall gewesen, bekam Bob die wahren Umstände heraus. Der junge Mann konnte mir bei seinem Geständnis nicht erklären, was in ihm vorgegangen war, als er sich entschloss, allem ein Ende zu machen. Er erschoss zuerst Northridge und machte dessen Komplizen Rost eine Höllenangst mit irgendwelchem Navajo-Geisterzauber. Dann sorgte er dafür, dass Rost diesen Unfall hatte und man das Gewehr in seinem Wagen fand. Nach Atisis Aussage war das alles ganz einfach gewesen, denn der Mann aus New York hatte ihn für einfältig gehalten und keine Gefahr in ihm gesehen.«
»Was für ein Hass muss in Bob Atisi gewesen sein, dass er so etwas tun konnte«, stellte Kaye erschüttert fest.
Thomas nickte. »Ja. Ein Hass gegen alles, was weiß war. Er muss ihn die ganze Zeit in sich getragen haben.«
»Und wie kam nun Wills Elfenbeinfigur neben den Toten?«, fragte Kaye. »Hast du dafür eine Erklärung gefunden?«
»Atisi hat sich die Stelle genau angesehen, wo Rost mit seinem Jeep über Aquilars Beine gefahren war. Dort hat er die Figur gefunden und sie an sich genommen.«
»Wusste er, dass sie Will gehört?«
»Ja, er hatte sie an Will gesehen.«
Kaye zog die Stirn in Falten. »Wollte Atisi den Verdacht absichtlich auf Will lenken, obwohl er doch wusste, dass Will Aquilar das Leben gerettet hat? Obwohl er wusste, wie leicht Will wieder im Gefängnis landen konnte?«
Der Onkel hob die Schultern. » Hóla , Kaye, ich weiß es nicht. Atisi sagte, er habe die Figur an sich genommen, um sie Will zurückzugeben, hätte sie dann jedoch ebenfalls verloren.«
Thomas stand auf und begann herumzulaufen. »Ich musste Atisi einsperren, doch das schien ihn kaum zu erschüttern. Ich versprach, ihm einen guten Anwalt zu besorgen, und ich dachte, nun würde alles gut werden. Aber heute Morgen fand ich ihn erhängt in seiner Zelle. Er hatte sein Hemd in Streifen gerissen und sie aneinandergeknotet.«
Thomas trank den letzten Schluck seines Kaffees und sah Kaye an. »Als das FBI aus Window Rock abzog, weil der Fall offensichtlich geklärt war, habe ich das so akzeptieren können. Navajo-Ordnung, du weißt schon. Aber Maria Yazzie hat es nicht gekonnt. Deshalb hat sie den Mann, den sie liebt, überredet, sich zu stellen. Und er hat ihr diese Bitte erfüllt, weil ihre Liebe alles war, was er noch hatte. Als Bob einwilligte, mit ihr zur Polizei zu gehen, wusste er, dass er seinen Weg bis zum Ende gehen würde.«
»Atisi hat schon einmal vier Jahre im Gefängnis gesessen«, sagte Kaye nachdenklich. »Vielleicht war ihm klar, dass er das nicht noch einmal durchstehen würde.«
Thomas schüttelte traurig den Kopf. »Maria hat mir zu
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