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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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wärst sehr beschäftigt. Ich habe ihr geglaubt.« Er schwieg eine Weile, dann sagte er: »Sie kam zur Gerichtsverhandlung. Mein Vater war da noch in Deutschland und hatte angeblich keine Besuchserlaubnis bekommen. Das nächste Mal kam sie, um mir zu sagen, dass mein Vater tot ist.« Wills Stimme begann zu zittern. »Ich hatte sie sehr gern, deine Mutter. Irgendwie war sie auch für mich wie eine Mutter. Als sie nicht mehr kam, dachte ich, sie will nichts mehr mit mir zu tun haben.«
    »Das muss schlimm für dich gewesen sein«, sagte Kaye, als sie ihre Gefühle wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte. »Aber ich verstehe nicht, warum du meine Briefe nicht gelesen hast. Warum, Will? Und warum hast du mir nie geschrieben?«

    Will fürchtete, Kaye würde fortgehen, wenn er ihr nicht antwortete, doch er konnte nicht sprechen. Die Wahrheit war tief in seinem Inneren verborgen und dort sollte sie auch bleiben. Er spürte ihren fragenden Blick und das tiefe, trennende Schweigen, das plötzlich zwischen ihnen stand.
    Verzweifelt überlegte er, was er Kaye antworten konnte, da spürte er plötzlich einen Luftzug in seinem Rücken. Ein kalter Schauer ließ ihn frösteln. Will spürte die Gegenwart eines dunklen, lebendigen Schattens. Er starrte auf die vom Mondlicht erhellten Büsche und Felsbrocken und lauschte. Nichts. Aber da war etwas gewesen, etwas Unheimliches, nicht Greifbares. Er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten, und hörte sein Herz rasen.
    Kaye durfte nicht merken, dass er sich fürchtete. Sie durfte jetzt aber auch nicht fortgehen, denn dann bliebe ihm nichts außer seiner Angst. Er brauchte Hilfe, das wurde ihm auf einmal klar. Und Kaye war im Augenblick die Einzige, die dafür infrage kam.
    Ein kehliges Knurren drang aus der Dunkelheit und Will zuckte zusammen.
    »Ein Kojote«, sagte Kaye. »Er wird auf Mäusejagd sein.«
    Zweiherz , dachte Will erschrocken. Und er jagt bestimmt keine Mäuse. Kojote riecht meine Angst .
    Mit einem Mal wusste er, was er tun musste, um den dunklen Schatten zu vertreiben. Er legte dicke Äste auf das Feuer, bis die Flammen hoch aufloderten und Funken bis zu den Sternen tanzten. Dann kniete Will vor Kaye nieder, fasste mit beiden Händen über ihre Schultern und fragte: »Darf ich?«
    Zuerst war sie überrascht, aber dann senkte sie den Kopf und er löste behutsam die beiden silbernen Nadeln aus ihrem Haarknoten. Als sie noch Kinder waren, hatte er sie manchmal damit geärgert. In dieser Nacht war es ein Ritual, das für einen Augenblick die alte Vertrautheit wiederherstellte. Will war von Anfang an fasziniert von diesem Haarknoten gewesen und hatte Kaye oft die Nadeln aus dem Haar gezogen, damit sie es vor seinen Augen erneut feststecken musste.
    Manchmal war sie wütend gewesen deswegen, diesmal schien es ihr zu gefallen. Ihr kräftiges Haar duftete und glänzte im Schein des Feuers. Kaye hatte es mit einer Seife aus Yuccawurzeln gewaschen, wie ihre Mutter sie immer hergestellt hatte. Die Navajo-Frauen schworen, das Haar würde lang wachsen davon und nicht ausfallen. Der vertraute Duft trieb Will Tränen in die Augen, doch er wollte nicht, dass Kaye ihn so sah.
    Rasch zog er sein T-Shirt wieder über, wischte die Tränen damit fort. Er faltete eine zweite Decke auseinander, warf sie sich um die Schultern und hüllte Kaye mit darin ein. So saßen sie eine Weile schweigend nebeneinander.
    Will fühlte sich besser, doch Kayes Frage stand immer noch im Raum.
    »Können wir heute Nacht von etwas anderem reden als vom Gefängnis?«, fragte er.
    »Ja. Aber du sagst ja nichts.«
    »Hast du Jazz noch?«
    »Natürlich. Er ist unser verlässlichster Hütehund und mein bester Freund.«
    »Hast du manchmal an mich gedacht?«
    Kaye kuschelte sich ein Stück an ihn heran und Will genoss die Nähe ihres warmen Körpers. »Jeden Tag habe ich an dich gedacht, Will Roanhorse«, sagte sie. »Und du, hast du an mich gedacht?«
    »Ich habe an nichts anderes gedacht.«
    Will ahnte, dass Kaye sich jetzt wünschte, er würde sie küssen. Aber er wollte sie nur im Arm halten und später an ihrer Seite einschlafen. Er wollte mit ihr zusammen sein, eine Zukunft haben. Doch die Wünsche, die er in ihren Augen, ihren Gesten las, die verunsicherten ihn.
    »Weißt du noch, wie du mich genau hier gefesselt hast, nur um mich dann fast zu Tode zu küssen?«, fragte sie.
    Er konnte also immer noch ihre Gedanken lesen.
    »Ich habe es bloß getan, weil Granpa behauptet hat, dass du mich eines Tages

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