Zweiherz
ist nicht leicht, eine Frau zu sein. Wenn nur Mom noch da wäre, sie wüsste bestimmt einen Rat. Sie wusste immer einen.«
Der alte Indianer wackelte mit dem Kopf. »Gib Will Zeit, Tochter, und dir auch. Da sind so viele Dinge, die der Junge zu verarbeiten hat. Er muss sein Leben völlig neu beginnen. Vieles hat sich verändert. Er muss erst wieder herausfinden, was er vom Leben will.«
»Ich möchte ihm so gerne dabei helfen«, sagte Kaye.
»Es gibt Männer, die lassen sich nicht gerne helfen.«
Sie verdrehte die Augen. »Du meinst, von einer Frau helfen.«
Die Fliegentür klappte und Will kam in die Küche. Er hatte die beiden letzten Sätze mit angehört, äußerte sich aber nicht dazu. Unter dem linken Arm trug er eine Wassermelone und in der anderen Hand zwei Fertiggerichte aus dem Laden in der Tankstelle. Er warf einen Blick auf den Teller des Alten und schob die Fertiggerichte wortlos in den alten Kühlschrank, der in der Ecke vor sich hin brummte.
»Ich habe heute etwas mehr gekocht«, sagte Kaye. »Es reicht auch noch für dich, Will.«
»Ich habe keinen Hunger«, murrte er. Vorwurfsvoll wies er auf Sams Teller. »Du brauchst das nicht mehr zu machen. Ich kann jetzt für Großvater kochen.«
Der alte Navajo verzog das Gesicht, als hätte er in einen fauligen Pfirsich gebissen. »Kannst du denn kochen?«, fragte er skeptisch.
Will zuckte mit den Achseln. »Ich werde es lernen.«
»Dann lerne erst einmal und bis dahin wird Kaye mir weiterhin das Sonntagsessen bringen. Sie ist eine hervorragende Köchin. Vielleicht solltest du mal probieren, die gefüllten Paprika sind köstlich.«
Kaye verschränkte die Arme vor der Brust und sah Will triumphierend an. Er wandte sich ab, damit sie sein Lächeln nicht sehen konnte. Gegen die Spüle gelehnt, sagte er: »Ab morgen kann ich an der Tankstelle arbeiten. Lindsay hat mir einen Job gegeben. Ist gerade was frei geworden.«
Diese Auskunft überraschte den Alten ebenso wie Kaye.
»Und wie kommst du jeden Tag nach Window Rock?«, fragte sie. »Es sind immerhin fast dreizehn Meilen.«
»Einer der Jungs von der Tankstelle wohnt in Crystal«, antwortete Will. »Er kommt jeden Morgen hier vorbei und wird mich mitnehmen, bis ich ein eigenes Auto habe.«
Sam zeigte sich wenig begeistert vom neuen Job seines Enkelsohnes. »Muss es unbedingt eine stinkende Tankstelle sein?«, grummelte der Alte. »Und muss es ausgerechnet Lindsays Tankstelle sein? Dieser bilagáana ist kein guter Mann.«
»Ich bin froh, dass ich überhaupt etwas gefunden habe«, erklärte Will. »Vielleicht ist dir entgangen, dass es im Res kaum Arbeit gibt. Schon gar nicht für einen wie mich.«
Sam räusperte sich. »Jetzt wo du wieder da bist, könnten wir mehr Schafe halten«, sagte er. »Früher musste keiner von uns an irgendeiner Tankstelle arbeiten oder in einer dunklen Kohlemine oder einem eisgekühlten Supermarkt. Früher lebten wir nur von unserem Land. Es gab uns alles, was wir brauchten.«
»Ich weiß, Großvater«, sagte Will traurig. »Aber heute funktioniert das nicht mehr. Ich muss das Haus reparieren, dazu brauche ich Material und ein Auto, um das Material transportieren zu können. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als arbeiten zu gehen. Und Lindsay hatte einen Job für mich.«
Kaye stand auf, füllte das restliche Essen in einen von Sams Kochtöpfen und spülte ihr Geschirr aus. Es verwunderte sie, dass Roberts Vater Will eingestellt hatte, und sie grübelte über die möglichen Gründe nach. Vielleicht hatte Rob seiner Mutter von Will und ihr erzählt. Und die hatte ihren Mann gebeten, Will einzustellen, um Arthur Kingley einen Gefallen zu tun. Dass sie ihm damit keinen Gefallen getan hatte, konnte Rita Lindsay schließlich nicht wissen.
»Hast du noch Wäsche, Großvater, die ich mitnehmen kann?«, fragte Kaye.
Will stieß sich von der Spüle ab. »Kaye«, sagte er aufgebracht, » ich werde mich verdammt noch mal um seine Wäsche kümmern. Er ist mein Großvater.« Er klopfte mit der Faust auf seine Brust.
Sam schüttelte den Kopf. »Wäre schön, wenn ihr euch einigen könntet, wer in Zukunft für meine Unterhosen verantwortlich ist.«
Kaye war sauer. »Von mir aus soll Will sich um die Wäsche kümmern«, sagte sie. »Ich muss jetzt jedenfalls los.« Sie gab dem Alten einen Kuss auf die faltige Wange. »Ich will noch nach Fort Defiance, die Familie meiner Mutter besuchen.«
»Deinen Polizistenonkel?«
»Ja, meinen Polizistenonkel.«
»Nimmst du mich ein Stück
Weitere Kostenlose Bücher