Zweiherz
könntest ein bisschen mehr Vertrauen zu mir haben.«
Arthur glaubte seiner Tochter nur zu gern und war offenkundig erleichtert. »Warum, Kaye?«, fragte er. »Warum muss ausgerechnet er es sein?«
»Weil ich Will liebe, Daddy.« Sie konnte es sagen, ohne dem Blick ihres Vaters auszuweichen. Es hatte Tage gegeben, da war sie voller Zweifel gewesen, aber seit der vergangenen Nacht war sie sich ihrer Liebe zu Will wieder sicher. Wenn es sein musste, würde sie um diese Liebe kämpfen.
»Als du ihn das letzte Mal gesehen hast«, sagte Arthur, »warst du zwölf, und er hat dich allein in diesem gottverlassenen Canyon sitzen lassen. Du hast volle drei Stunden gebraucht, um nach Hause zu kommen, und deine Mutter ist bald verrückt geworden vor Angst.« Er schob die Hände in die Vordertaschen seiner schwarzen Hose, weil sie ihm in seiner Aufregung im Weg waren.
Die Erinnerung an diesen Tag im Water Hole Canyon ließ Kayes Herz schneller schlagen. Will war damals schweigsam und mürrisch gewesen. So kannte sie ihn überhaupt nicht und seine Ruppigkeit hatte sie beinahe zum Heulen gebracht. Aber dann hatte er plötzlich angefangen zu weinen. Mit ihren zwölf Jahren war sie zu unerfahren gewesen, um ihm den Grund seiner Verzweiflung zu entlocken. Aber sie hatte gespürt, dass etwas Schreckliches auf Wills Seele lastete.
»Du gehst mir furchtbar auf die Nerven«, hatte er schließlich gesagt und war so schnell zwischen den Felswänden verschwunden, dass sie ihm nicht folgen konnte. So etwas hatte er noch nie gesagt oder getan.
»Irgendetwas stimmte damals nicht mit Will«, sagte Kaye. »Und ich wette, es hatte damit zu tun, was später passiert ist.«
Ihr Vater schien den letzten Satz überhört zu haben. »Ganz richtig«, bemerkte er, »irgendetwas stimmt nicht mit ihm. Er hat einen Menschen auf dem Gewissen. Er ist ein...« Sein Blick in die wild dreinschauenden Augen seiner Tochter ließ ihm das Wort im Hals stecken bleiben.
Kaye sah die Fäuste ihres Vaters in seinen Hosentaschen. So aufgewühlt hatte sie ihn lange nicht gesehen. »Hast du eigentlich gewusst, dass Mom ihn im Gefängnis besucht hat?«, fragte sie ihren Vater.
Auf einmal schien Arthur kraftlos in sich zusammenzufallen. »Ich habe es geahnt«, sagte er. »Deine Mutter hatte da so ihre Navajo-Geheimnisse.«
Es verletzt ihn , dachte Kaye, obwohl sie tot ist. Mich hat es auch verletzt. »Wie dem auch sei«, sagte sie, »Will hat seine Strafe abgesessen und irgendwann wird er der Vater deiner Enkel sein. Finde dich damit ab, Dad. Und jetzt werde ich uns was zu Essen kochen.«
Arthur stieg in seinen Wagen und fuhr zur Kirche.
Kaye wusch rote, gelbe und grüne Paprikaschoten, schnitt den Stiel heraus und entfernte die Seitenwände mit den Kernen. Dann schnitt sie Lammfleisch in kleine Würfel und briet es in zerlassener Butter, bis es gar war. Dazu gab sie klein geschnittene Zwiebeln und Tomaten und Semmelbrösel, würzte alles mit Salz, Pfeffer, Kümmel und Koriandersamen. Die fertige Masse füllte sie in die Paprikaschoten und ließ sie in der Röhre backen. Währenddessen kochte Kaye noch einen Topf voll Reis, und als ihr Vater aus der Kirche zurückkehrte, aßen sie gemeinsam.
Schließlich erhob sich Kaye und sagte: »Es ist schon spät und Großvater wartet auf sein Essen.« Sie nahm die Keramikform mit den restlichen Paprikaschoten, füllte Reis dazu und verschloss alles mit Silberfolie. Dann ging sie hinauf in ihr Zimmer und zog sich ein sauberes T-Shirt an.
Als Kaye wieder zurückkam, saß ihr Vater immer noch auf seinem Platz und starrte auf die Tischplatte. Sie nahm die Auflaufform und sagte: »Ich bringe jetzt Großvater Sam sein Essen. Danach besuche ich meine Familie. Mach dir keine Sorgen um mich, es kann spät werden.«
»Hmm, das riecht gut«, sagte der Alte, als sie ihm Paprika und Reis auf einen Teller tat. »Du kochst so gut wie deine Mutter.«
Kaye versuchte ein Lächeln, aber es gelang ihr nicht. Der Alte merkte sofort, dass etwas nicht stimmte.
»Hattest du Ärger, Tochter?«, fragte er, die Stirn noch verrunzelter als sonst.
»Dad gefällt es nicht, wenn ich mit Will zusammen bin.« Kaye seufzte. »Er macht Schwierigkeiten.«
»Das war zu erwarten«, erwiderte Sam. »In seinen bilagáana -Augen ist Will nicht unbedingt der ideale Schwiegersohn. Aber du bist erwachsen. Du musst wissen, was du tust.«
»Ich weiß genau, was ich tue. Aber was ist mit Will? Er ist so reserviert, so seltsam, so... ach verflixt, Großvater, es
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