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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Tiere, die Erdleute, lauschten seinem Gesang und beobachteten aus sicheren Verstecken sein Treiben. Erdleute, Sternenvolk und Pflanzenleute hießen ihn willkommen.
    Vielleicht war das der Anfang des Weges. Vielleicht konnte die heimatliche Erde ihn heilen. Denn Heilung brauchte er, da machte Will sich nichts vor. Ein heiseres Schluchzen kam aus seiner Kehle.
    Plötzlich hörte er das leise Knacken von trockenem Holz. Er riss seinen Blick aus dem Feuer und starrte in die Dunkelheit. Aber seine Augen waren geblendet von den heißen Flammen. Er sah nur rötliche Geister durch die Nacht tanzen. Tiergestalten mit rot glühenden Augen, langen Krallen und bleckenden Zähnen. Weiß der Teufel, wo die plötzlich hergekommen waren.
    Will stöhnte. Erst als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah er die einsame Gestalt auf der Wiese stehen.

    »Hallo Will!«, sagte Kaye. Sie spürte, dass sie ihn bei etwas Persönlichem gestört hatte. Aber der Zeitpunkt, unbemerkt wieder zu verschwinden, war verstrichen.
    » Yá’át’ééh , Kaye«, begrüßte Will sie auf Navajo, und nach kurzem Zögern winkte er sie heran.
    »Möchtest du allein sein?«, fragte sie. »Dann verschwinde ich wieder.«
    Aber er wies neben sich auf die Wiese und sagte: »Setz dich!«
    Froh, dass Will über die Störung nicht verärgert war und sie nicht wieder fortschickte, ließ Kaye sich neben ihm nieder. Sie zog die Beine an die Brust und schlang ihre Arme um die Knie.
    Es fiel ihr schwer, Will anzusehen, denn mit seiner hellen Lehmmaske und den dunklen Augenlöchern sah er aus wie ein Geist.
    Eine Weile herrschte Stille, nur das Knacken der Äste im Feuer war zu hören.
    »Da ist ein Loch in deiner Hose«, bemerkte Will schließlich.
    Nun blickte sie ihn doch an und sah ein Lächeln in seinen schwarzen Augen. Für einen Augenblick entdeckte Kaye in diesem Lächeln jenen Jungen, den sie einmal gekannt und geliebt hatte, und sie schauderte vor Freude. Es war schön, in Wills Nähe zu sein und dieselbe Luft zu atmen wie er.
    Kaye verdeckte das Loch in ihrer Hose mit der flachen Hand und fragte: »Verrätst du mir, was du hier machst, oder ist das ein Geheimnis?«
    Wills Gesicht unter seiner Lehmmaske wurde wieder ernst. »Ich praktiziere meine wiedergefundene Freiheit. Ist komplizierter, als ich dachte.«
    Kaye nagte nervös an ihrer Unterlippe. »Ich wusste, dass du hier sein würdest.«
    Will wich ihrem Blick aus. »Du hast viel Zeit mit meinem Großvater verbracht«, sagte er und legte neue Wacholderzweige ins Feuer. Es knisterte und Funken stiebten in die Nacht. »Deshalb hast du mir viel voraus, Kaye. Ich habe dich nicht kommen gehört. Du hast mich erschreckt.«
    »Ich wollte mich nicht anschleichen«, entschuldigte sie sich. Es hatte ihr einfach die Sprache verschlagen, als sie seinen einsamen Gesang vernommen hatte.
    Kaye musterte Wills nackten Oberkörper, auf dem der rötliche Schein des Feuers tanzte. Dieser Körper sah aus, als würde er große Kraft in sich bergen. Damals war Will ein magerer, hochaufgeschossener Junge gewesen, jetzt bewegten sich lange Muskeln unter seiner glatten Haut.
    Und sie, vor fünf Jahren noch ein Kind mit dünnen Beinen, knubbeligen Knien und hervorstehenden Rippen, war jetzt eine junge Frau. Würde das die Dinge ändern?
    Will machte eine spontane Bewegung auf sie zu, als wolle er sie in seine Arme nehmen, hielt aber dann abrupt inne. Die kleine Elfenbeinfigur, die er an einem Lederband um den Hals trug, tanzte auf seiner Brust.
    »Das mit deiner Mutter tut mir sehr leid«, sagte er und rieb sich mit den Handflächen den trockenen Lehm aus dem Gesicht. »Großvater hat mir heute erzählt, was passiert ist.« Er nahm seine alte Haltung wieder ein und starrte ins Feuer. »Nun weiß ich auch, warum sie nicht mehr gekommen ist.«
    Kaye blickte ihn überrascht an. »Willst du damit sagen, dass... meine Mom, sie hat dich im Gefängnis besucht?« Sie konnte sich daran erinnern, dass ihre Mutter manchmal ein oder zwei Nächte fort gewesen war. Kaye hatte sie erzählt, sie würde ihre Webteppiche an eine Galerie in Utah liefern.
    »Ja, das hat sie. Zwei- oder dreimal im Jahr. Manchmal hat sie meinen Großvater mitgebracht.« Er musterte sie eindringlich und stellte fest: »Du hast es nicht gewusst.«
    »Nein. Warum hat sie es mir nicht gesagt?« Kaye verstand die Welt nicht mehr. »Ich wäre so gerne mit ihr gekommen.«
    »Hóla« , sagte er, »ich weiß es nicht. Wenn ich sie nach dir fragte, dann sagte sie, du

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