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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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nichts von mir wissen will.«
    »Na, dann ist es ja gut.« Ihr Vater atmete erleichtert auf. »Mir scheint, der Bursche ist vernünftiger als du.«
    Kaye funkelte Arthur an. »Eines Tages werde ich ihn heiraten, Dad, auch wenn du etwas dagegen hast.«
    »Aber zum Heiraten gehören immer noch zwei, oder etwa nicht?«
    Kaye versuchte, den heißen Klumpen in ihrer Kehle herunterzuschlucken, doch es gelang ihr nicht. Warum quälte ihr Vater sie so, wo doch auch ohne seine verletzenden Worte alles schon schwer genug war?
    »Ich muss jetzt los«, sagte sie mit belegter Stimme und schloss leise die Tür hinter sich.

    Am Nachmittag packte sie ein paar Sachen in ihren kleinen Rucksack, holte ihren Schlafsack aus dem Schrank und fuhr nach Chinle. Von dort führte eine einspurige Teerstraße zur Ranch von Teena Tommys Familie. Die beiden Mädchen sattelten zwei Reitpferde, verstauten ihre Rucksäcke und die Schlafsäcke auf dem Rücken der Tiere und saßen auf. Sie ritten in den Canyon de Chelly, der eigentlich ein Gewirr aus drei Canyons war, deren tiefe Schluchten sich meilenweit in den roten Fels fraßen, bis fast zur Grenze nach New Mexiko.
    Die beiden Mädchen waren schon oft zusammen durch den Canyon geritten und hatten seine Seitenarme erforscht. Doch für Kaye war es jedes Mal wie eine Offenbarung, wenn sie die breite Mündung des Canyons mit ihrem weichen Schwemmsand passiert hatten und zu beiden Seiten die steilen Felswände wie uneinnehmbare Festungsmauern in die Höhe ragten. Rote Felsen, die die Sonne einfingen und manchmal auch den Himmel. Es gab sogar schimmernde glatte Flächen im Fels, Wüstenlack genannt, die an einigen Stellen in einem hellen Blau leuchteten.
    Die Wände des Canyons wuchsen, je tiefer sie hineinkamen. Kein Laut drang jetzt mehr in die Schlucht. Es war, als würden sie sich in einer von Raum und Zeit losgelösten Welt befinden.
    Manchmal blieben die Mädchen auf ihren Pferden dicht unter einer vorgewölbten Felswand mit den eigenwilligen dunklen Schraffuren und Marmorierungen stehen und legten den Kopf in den Nacken, um beinahe dreihundert Meter weiter oben die Felskante zu erspähen. Dann war es Kaye, als schwanke die Welt unter einem verbogenen Himmel.
    Lange Zeit sprachen sie kaum ein Wort. Sie ritten am von Pappeln, russischen Ölbäumen und Tamarisken gesäumten Tsaile River entlang und lauschten auf den Abendwind im Canyon. Sie sogen den süßen Duft der violetten Tamariskenblüten ein und haschten nach den weißen Flocken der im warmen Aufwind umherfliegenden Pappelblüten.
    Nach ungefähr drei Meilen teilte sich der Canyon wie ein V. Der nördlichere Weg führte in den Canyon del Muerto, den Canyon der Toten. Er erhielt seinen Namen, als Ende des 19. Jahrhunderts eine Expedition dort Grabstätten der Anasazi fand. Anasazi ist Navajo und bedeutet: Die vorher da waren . Es waren nicht die Vorfahren der Navajo, sondern die der Hopi- und Puebloindianer; Menschen, die vor 1700 Jahren überall im Südwesten gelebt hatten. Irgendwann zogen sie sich aus unerklärlichen Gründen in diese versteckten Felsbehausungen zurück, um ein Jahrhundert später ganz zu verschwinden. Niemand wusste, warum. Vielleicht hatte es eine große Dürre oder schlimme Krankheiten gegeben. Vielleicht hatten die Geister gesagt, dass sie gehen sollten.
    Die Ruinen ihrer Behausungen aus Sandstein- oder Lehmziegeln fand man überall im Reservat, genauso wie ihre geheimnisvollen Ritzzeichnungen auf den mit dunkler Patina behafteten Felsflächen.
    Der südlichere Weg, den Kaye und Teena nun einschlugen, führte in den eigentlichen Canyon de Chelly, von dem später der Monument Canyon abzweigte. Auch hier gab es, versteckt in hochgelegenen Felsnischen, Ruinen aus Stein und Lehm. In die Felswände gehauene Klettermulden zeigten, wo die Anasazi in ihre luftigen Behausungen aufgestiegen waren, in denen sie sich vor Feinden und Sturzfluten sicher wähnten.
    Kaye schauderte, als sie an den Ruinen vorbeiritten, denn sie wusste, dass früher wichtige Männer ihres Volkes in den Anasaziruinen des Canyon de Chelly bestattet worden waren. Ihre Geister waren vielleicht immer noch dort, genauso wie die Geister derer, Die vorher da waren . Die Ruinen waren tabu. Teena und Kaye trugen vorsorglich ein Wacholderzweiglein bei sich, das sie bei Nacht vor Hexen und bösen Geistern schützen würde.
    Kaye sann darüber nach, wie gut das Leben im Canyon gewesen sein mochte, bevor Colonel Kit Carson und seine Männer sämtliche

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