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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Gegenwart in Tränen ausbrechen würde.
    »Sag deinem Großvater, dass ich am Sonntag sein Essen bringe.«
    »Das brauchst du nicht.« Will schüttelte den Kopf. » Ich werde für ihn kochen.« Einen Augenblick lang sah er Kaye an, und sie spürte, dass er noch etwas sagen wollte, vielleicht eine Entschuldigung. Doch dann drehte er sich um, warf das Kleiderbündel über seine Schultern und ging ins Haus.
    »Wie du willst«, erwiderte sie leise.

    Donner grollte über den Chuska Mountains und Blitze zuckten zwischen dunklen Wolken. Das Big Res brauchte dringend Regen, aber Kaye ahnte, dass Donner und Blitze nur leere Versprechungen waren - wie beinahe jeden Abend.
    Unglücklich und zutiefst verwirrt, fuhr sie die Asphaltstraße in Richtung Ranch. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass Liebe wehtun konnte. »Aber dass es so wehtut, hast du mir nicht gesagt«, flüsterte sie.
    Kaye bog auf die Schotterstraße und der Jeep ratterte über das Viehgitter. Diesmal fuhr sie nicht direkt zum Haus, sondern machte einen Abstecher zum Grab ihrer Mutter, das sich auf der anderen Seite der Pferdekoppel zwischen einer Felswand und dem Stamm eines Ölbaumes befand. Sophie hatte sich diesen Platz am Fuße des überhängenden Sandsteinfelsens als letzte Ruhestätte gewünscht und ihr Bruder und seine Familie hatten diesen Wunsch akzeptiert. Kaye war lange nicht mehr hier gewesen, aber heute verspürte sie das dringende Bedürfnis, mit ihrer Mutter zu reden.
    Sophie Kingleys Grab war ein flacher Erdhügel, eingerahmt von weißen Steinen. Es gab kein Kreuz, denn Sophie war fest verwurzelt gewesen im indianischen Glauben und hatte keiner christlichen Kirche angehört.
    Kaye setzte sich auf den staubigen Boden, lehnte Rücken und Kopf gegen den Stamm des Ölbaumes und schloss die Augen. »Mom«, flüsterte sie, »Will ist wieder da.« Sie seufzte leise. »Aber das weißt du sicher längst. Weißt du denn auch, warum er mir aus dem Weg geht? Kannst du mir das sagen?«
    Tränen drangen unter ihren geschlossenen Lidern hervor und rannen über ihre Wangen. »Du hast ihn im Gefängnis besucht und mir nichts davon erzählt. Warum, Mom? Wolltest du auch nicht, dass ich mit ihm zusammen bin?«
    Sie wischte die Tränen weg. »Du hast immer zu mir gesagt, Will würde deshalb nicht schreiben, weil er nur Trauriges zu erzählen hätte. Aber vielleicht war das gar nicht der Grund. Vielleicht mag er mich ja nicht mehr.«
    Kaye beobachtete eine rot gepunktete Eidechse, die auf einen der weißen Steine huschte und dort blieb, um sich zu sonnen. Leise sprach sie weiter: »Ich weiß nicht, was ich denken soll, Mom. In der Nacht, am Finger Rock, da habe ich gespürt, dass Will mich noch gern hat. Er war so, wie ich ihn kannte, beinahe jedenfalls. Aber auf einmal will er nichts mehr mit mir zu tun haben. Was ist los mit ihm, Mom? Hast du es gewusst?«
    Kaye bekam keine Antwort, doch das hatte sie auch nicht erwartet. Sie selbst musste das Geheimnis um Wills merkwürdiges Verhalten lüften und hatte doch gleichzeitig Angst davor. Was, wenn dieses Geheimnis zu mächtig war und sie für immer auseinanderbringen würde?

    Zurück auf der Ranch begrüßte Kaye ihren Vater, der wieder einmal an seinem Pickup herumbastelte.
    »Auf dem Herd steht Bohnensuppe«, sagte er. »Ashies Frau hat sie gekocht. Schmeckt prima.«
    »Ich hab keinen Hunger.«
    Kingley wischte sich das feuchte Haar aus der Stirn und blickte seine Tochter aufmerksam an. Er sah sofort, dass sie geweint hatte. »Wie war dein Tag, Kaye?«
    »Ziemlich gut«, sagte sie und wandte sich ab, um zur Koppel zu gehen, wo Shádi sie mit einem freudigen Wiehern begrüßte.
    »Vielen Dank für das nette Gespräch«, brummte Arthur und wandte sich wieder seinem Motor zu.
    Kaye sprach eine Weile mit Shádi, deren Name »große Schwester« bedeutete. Sie streichelte die Stute, drückte die Nase an ihr warmes Fell. Dann ging sie ins Haus. Sie wartete nicht, bis ihr Vater hereinkommen und sie ausfragen würde. Sie duschte und verschwand in ihrem Zimmer. Als Arthur später an ihre Tür klopfte, tat Kaye so, als würde sie bereits schlafen.

    Beim gemeinsamen Frühstück am nächsten Morgen erklärte Kaye ihrem Vater, dass sie am Nachmittag ihre Freundin Teena besuchen wolle und bei ihr schlafen würde.
    »Du musst mich nicht anlügen«, sagte Arthur verstimmt. »Du kannst mir ruhig sagen, wenn du ihn treffen willst.«
    »Ich werde ihn nicht treffen, Dad«, erwiderte Kaye. »Und zwar aus dem einfachen Grund, weil er

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