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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Felsnadel.
    »Hat deine Mom dir auch manchmal mit Spider Woman gedroht?«, fragte Teena.
    Kaye lachte leise. »Ja. Wenn ich ungezogen war, sagte sie, Spider Woman würde ihre Spinnwebleiter herablassen und kommen, um mich zu verschlingen. Sie sagte, oben auf der Kuppe des Felsens würden bleiche Kinderknochen liegen.«
    »Hast du Angst gehabt?«
    »Nur ein bisschen.«
    »Ich hatte Angst«, sagte Teena. »Spider Rock war so nah. Aber dann habe ich mir den Fels mal vom Rand des Canyons aus angesehen - und es waren keine Kinderknochen da.«
    Eine Eule schickte ihr schauriges Uhu über den Canyon und die Mädchen kicherten vor Schreck. Als es dunkel war und das Sternenvolk vom Himmel funkelte, suchten sie sich nebeneinander eine bequeme Stelle in einer Sandmulde und krochen in ihre Schlafsäcke. Teena erzählte Kaye von Charlie Tsoosie und seinen Küssen. »Er sagt, ich sei stark und in meiner Gegenwart würde er sich sicher fühlen«, flüsterte sie. »Aber ich habe Angst, nicht stark genug zu sein.«
    »Wenigstens weißt du, dass er dich liebt, und gemeinsam schafft ihr es bestimmt. Meine Mutter hat immer gesagt, Liebe ist eine starke Macht. Ich liebe Will, aber er geht mir aus dem Weg, und ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Ich weiß nicht, gegen was oder wen er ankämpft, und warum.«
    »Vielleicht bist du zu ungeduldig«, sagte Teena. »Mit der Zeit bekommst du bestimmt Antworten auf deine vielen Fragen.«
    Die Stimmen der beiden Mädchen wurden leise wie das Rascheln von Maisstroh im Wind. Kaye wusste, dass Teena recht hatte. Die Antworten würden kommen. Es würde Zeichen geben, damit sie sie finden konnte. Diese Zeichen durfte sie nicht übersehen. Und sie wusste auch, dass es Antworten gab, die nur ihr allein gehörten.
    Schon bald merkte Kaye an Teenas ruhigem, gleichmäßigem Atem, dass sie eingeschlafen war. Sie dagegen lag noch lange wach und starrte nachdenklich hinauf zu den funkelnden Sternen.

8. Kapitel

    V erdammter Mist«, rief Will erschrocken und zog blitzschnell die Hand zurück, als er das verräterische Rasseln zwischen den Steinen hörte. Schimpfend erhob er sich und machte sich auf die Suche nach einem langen Stock. Er wollte wissen, ob die silbernen Schmuckstücke noch da waren, die sein Vater ihm überlassen hatte, damit er später auf etwas zurückgreifen konnte, wenn er einmal Geld brauchte. Will hatte die Silberstücke damals sorgfältig in diesem Felsspalt versteckt. Er war noch ein halbes Kind gewesen und hatte sich als Hüter eines Schatzes gefühlt. Aus unerfindlichen Gründen hatte er seinen Schatz nicht im Haus aufbewahrt, sondern ihn vergraben, wie er das in Büchern gelesen hatte. Das war jetzt sechs Jahre her, doch Silber war beständig.
    Und nun war es so weit. Will Roanhorse brauchte Geld. Was er in den fünf Tagen an der Tankstelle verdient hatte, reichte nicht einmal für Zaumzeug und eine Satteldecke, geschweige denn für ein Pferd. Er brauchte etwas, womit er sich unabhängig fortbewegen konnte. Um seinen Führerschein zu machen, musste er erst jemanden finden, der ihn mit seinem Wagen fahren ließ. Kaye um diesen Gefallen zu bitten, brachte er nicht fertig. Sie war eine gute Fahrerin. Er würde als Anfänger neben ihr sitzen und sich ihre Kommentare anhören müssen. Das wollte er sich ersparen.
    Doch um ein Pferd zu reiten, brauchte man keinen Führerschein. Vor der Zeit im Gefängnis war Will ein guter Reiter gewesen. Sein Vater hatte immer Pferde besessen, auch dann, wenn das Geld knapp gewesen war. Ein richtiger Navajo sollte auch ein Pferd haben, hatte John Roanhorse gesagt.
    Will schielte nach der dunklen Felsspalte.
    Eine Klapperschlange hatte das trockene Versteck entdeckt und sich als Nest auserkoren. Nun, nachdem die Spalte einen ernst zu nehmenden Bewacher gefunden hatte, wusste Will nicht, wie er unbeschadet an sein Eigentum kommen sollte. Endlich fand er einen Stock, der lang genug war, und stocherte damit in den Hohlraum unter dem Felsvorsprung. Die Schlange rasselte drohend mit ihrem Hornschwanz und kam schließlich aus ihrem Versteck. Als sie mit ihrem Kopf auf Will zustieß, wich er jäh zurück und ließ entsetzt den Stock fallen.
    » Há’át’iish baa nanina - was machst du denn da?«, rief plötzlich jemand. Will griff hastig nach dem Knüppel, um ihn notfalls als Waffe benutzen zu können, wenn er sich verteidigen musste. Sofort in Verteidigungshaltung zu gehen, das hatte er im Gefängnis gelernt.
    Aber dort oben auf dem runden Felsbuckel stand

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