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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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ihr ihren wertvollen Silberschmuck brachten, erklären, dass sie einen ganz normalen Laden und keine Pfandleihe betrieb. Die Leute kamen lieber zu ihr als zum kauzigen Pfandleiher im sechzig Meilen entfernten Ganado, der für seinen Geiz und seine Hartherzigkeit bekannt war.
    Kaye telefonierte mit dem Händler, von dem sie ihre Postkarten bezog, und bestellte nach. Dann hatte sie Feierabend. Als sie abschließen wollte, stand auf einmal Mike Northridge vor der Ladentür, die Schultern hochgezogen und die Hände in den Taschen.
    Auch das noch , dachte Kaye. »Hallo Mike«, begrüßte sie ihn. »Wolltest du zu mir?«
    Er wurde rot. »Nein«, stammelte er, »... ich meine, ja, ich brauche ein Geschenk. Meine Mutter hat morgen Geburtstag.«
    »Na dann, komm rein.« Kaye machte eine einladende Handbewegung. »Sieh dich in Ruhe um. Und frag mich, wenn du Fragen hast.«
    Mike schob seine Hände jetzt auf den Rücken und betrachtete eingehend, was Kaye im Angebot hatte. Es machte den Anschein, als würde er konzentriert nachdenken, aber sie merkte, dass er ihr verstohlene Blicke zuwarf.
    »Wie geht es deiner Mutter denn?«, fragte sie schließlich, um die peinliche Stille zu brechen. Kaye wusste, dass Olivia Northridge seit einiger Zeit krank war und ihr Zustand sich nicht besserte.
    »Nicht gut. Sie machen dauernd irgendwelche Untersuchungen mit ihr im Krankenhaus. Wahrscheinlich ist es Leukämie.«
    »Das tut mir leid.«
    Mike zeigte auf einen Silberarmreif mit einem eingefassten tiefblauen Türkis. »Was kostet denn der?«
    »Oh, der ist wirklich schön, aber auch ziemlich teuer. Wie viel willst du denn ausgeben?«
    »Hab nur 30 Dollar«, sagte er kleinlaut.
    Kaye wollte ihn nicht in Verlegenheit bringen und fragte: »Liest deine Mutter gern? Vielleicht freut sie sich über ein Buch.«
    Mikes Gesicht hellte sich auf. »Stimmt, sie schmökert gerne. Am liebsten mag sie Historisches von anderen Kontinenten.«
    »Na, dann habe ich doch was für sie.« Sie ging zum Bücherregal und zog einen dicken Wälzer hervor. Ikufar , von David Ball. »Hier, ich habe es selbst gelesen. Ist toll.«
    »Okay, dann nehme ich es. Und... danke!«
    Kaye lachte. »Ich danke dir, Mike. Du hast soeben meinen Tagesumsatz um 15 Dollar und 70 Cent erhöht.«
    Er gab ihr das Geld und sie schob das Buch in eine Tüte. »Sag deiner Mutter Glückwünsche von mir. Ich hoffe, es geht ihr bald wieder besser.«
    »Mach ich.« Mike schaffte ein Lächeln. »Okay, dann gehe ich jetzt mal.«
    »Machs gut, Mike.«
    Er war schon fast zur Tür hinaus, als er sich noch einmal umdrehte. »Ach Kaye, wegen neulich... das tut mir leid. Ich glaube, ich hatte ein bisschen viel getrunken...«
    »Schon gut«, sagte sie. »Ich hab’s längst vergessen.«

    Nachdem Mike gegangen war, schloss Kaye ab und zog das Eisengitter vor das Schaufenster und den Eingang des Ladens, das vor nächtlichen Einbrechern schützen sollte. Sie fuhr über den Parkplatz zur Tankstelle, um den Jeep aufzutanken. Zwar war der Tank noch zur Hälfte voll, doch sie hoffte, dort Will zu begegnen, mit dem sie seit Sonntagnacht nicht mehr gesprochen hatte. Hin und wieder hatte sie ihn durch die Scheibe ihres Ladens gesehen, wenn er sich im Schnellimbiss etwas zu essen geholt hatte, aber sie war zu stolz gewesen, noch einmal direkt zu ihm zu gehen. Seit der Abfuhr, die er ihr erteilt hatte, war nun er an der Reihe, ihr zu zeigen, dass sie ihm nicht vollkommen gleichgültig war.
    Kaye fuhr an die Zapfsäule und wurde Zeugin, wie Will einem weißen Jungen das Benzin zum offenen Wagenfenster hineinlaufen ließ. Eine Gruppe halbwüchsiger Navajos kommentierte das Ganze mit johlendem Geschrei. Der weiße Junge stürzte sich wutentbrannt auf Will. Da sprang ein muskelbepackter Truckfahrer hinzu, hielt den Aufgebrachten fest und versuchte, ihn zu bändigen.
    Will stand eine Weile wie erstarrt da, dann drehte er sich einfach um, und Kaye sah, wie er in seinem roten Shell-Overall in Richtung Ortsausgang über den Parkplatz lief. Er blickte nicht zurück, und sie wusste nicht, ob er sie überhaupt bemerkt hatte. Die Jugendlichen pfiffen immer noch, und der Bursche, dessen Autositze jetzt benzingetränkt waren, drohte ihnen mit der Faust. Sein Kopf war hochrot und die verschwitzten Haare standen ihm wie Stacheln vom Kopf ab.
    »Mit denen würde ich mich lieber nicht anlegen«, sagte der Truckfahrer, der eine dunkle Sonnenbrille trug und eine rote Baseballkappe auf dem Kopf hatte. Er ließ den Jungen los. »Da ziehst

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