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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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Roanhorse geheiratet hatte. Und dann war sie auch noch an dieser Krankheit gestorben. Krebs, wie die bilagáana , die Weißen, sagten. Graue Krankheit , wie die Navajos sie nannten. Aber welchen Namen man ihr auch gab, seine Mutter war daran gestorben.
    Seit Will denken konnte, waren sein Vater und der Großvater für ihn da gewesen. Bis John ihn auf dieses Internat bei Santa Fe schickte. Es war eine staatliche Schule, in der Indianerkinder besonders gefördert wurden. Will hatte sich dem Wunsch seines Vaters gefügt, was ein Fehler gewesen war. Aber schon als kleiner Junge hatte er gelernt, die Wünsche der Erwachsenen zu respektieren. Das war navajo .
    Nun war er neunzehn und geblieben war ihm sein Großvater. Der alte Mann lebte noch in dem Holzhaus, in dem Will aufgewachsen war. Großvater Sam wartete auf ihn. Bei ihm würde er ein weiches Bett und ein Zuhause haben. An Kaye wagte er kaum noch zu denken, je näher der Tag rückte, an dem er sie wiedersehen würde. Er verabschiedete sich von seinen Träumen und Wünschen, weil die Chance, dass sie in Erfüllung gehen könnten, verschwindend gering war. Die Enttäuschung wollte Will sich ersparen.
    Aber er hatte Pläne. Wollte sich Arbeit suchen und seinen Großvater unterstützen. Vielleicht würde er sich im Herbst am College einschreiben und studieren. Im Gefängnis hatte er seinen Highschool-Abschluss gemacht. Wenigstens diese Möglichkeit stand jugendlichen Straftätern offen. Es war ihm nicht schwergefallen, er hatte mit Sehr gut abgeschlossen. Dieses Zeugnis war seine Chance.
    Gedankenverloren streifte Will mit den Fingern über die neuen Kleider auf der Pritsche. Gestern hatte er von einem Aufseher zurückbekommen, was er angehabt hatte, als er vor fast fünf Jahren aus dem Gerichtssaal ins Gefängnis gebracht worden war. Aber er hatte es nicht gebrauchen können, denn diese Kleider waren ihm längst viel zu klein geworden. Die Gefängniskost war nicht sonderlich schmackhaft gewesen im Staatsgefängnis von Gatesville, aber das hatte nicht verhindert, dass Will einen Kopf größer geworden war und sein Körper kräftig. Jeden Tag hatte er in seiner Zelle einhundert Klimmzüge gemacht. Fünfzig am Morgen und fünfzig am Abend. Das hatte seine Muskeln gestärkt und seinen Körper beweglich gehalten.
    Eine Zeit lang war er auch gelaufen, wenn er Freigang hatte. Laufen war früher seine Leidenschaft gewesen. Er liebte es, durch die Arroyos, die trockenen Flussbette der Canyons, zu rennen, die schmalen Mesapfade hinauf und wieder hinunter. Manchmal hatte er sich dabei so frei und schwerelos wie ein Adler gefühlt. Aber Laufen im Gefängnis war etwas ganz anderes. Es hatte ihm schmerzhaft bewusst gemacht, dass er nicht frei war. Irgendwann war Will es leid gewesen, immer im Kreis zu rennen.
    »He, Willy Boy!«, raunte ihm eine dunkle Stimme von nebenan zu. »Was werde ich bloß anfangen, wenn du nicht mehr da bist? Ohne dich wird es verdammt traurig sein. Wer wird mir Geschichten erzählen?«
    Das war Hank, Wills Zellennachbar.
    »Du musst durchhalten, Hank«, antwortete er. »Denk immer daran, was ich dir beigebracht habe: Warten kann auch ein Geschenk sein. Zeit, um über sich selbst und andere wichtige Dinge nachzudenken.«
    Aus der Nachbarzelle kam ein Stöhnen. »Aber ich bin schwarz, Will, und keine verdammte Rothaut«, schimpfte Hank mit verhaltener Stimme. »Ich brauche Bewegung, sonst drehe ich durch. Ich hab doch schon mehr als genug gewartet. Ich kann nicht mehr, Willy. Ich kann nicht mehr, verstehst du das? Ich wünschte, ich könnte mit dir gehen.«
    Das wünschte Will auch, denn er mochte Hank. Die beiden waren fast zeitgleich ins Staatsgefängnis von Gatesville gekommen und schnell Freunde geworden. Hank war ein Riese, ein schwarzer Ringer, der bei einem Streit zu fest zugeschlagen hatte und seinen Widersacher dabei ungewollt getötet hatte. Es war ein Unfall gewesen, aber Hank war schwarz und das Gericht hatte ihn wegen Totschlags verurteilt. Ihr ähnliches Schicksal hatte die beiden zueinandergebracht und Hank war zu Wills Beschützer geworden. Er war es auch gewesen, der ihn dazu angehalten hatte, Sport zu treiben.
    Hank schob seine tiefbraune Hand durch die Gitterstäbe um die Ecke in Wills Zelle. »Das ist für dich, Bruder, damit du mich nicht vergisst.«
    Will nahm das Lederband, an dem eine kleine weiße Figur baumelte. Es war eine winzige mollige Afrikanerin mit hervorstehenden Brüsten und dicken Schenkeln.
    Will berührte die Figur,

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