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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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drehte sie, schüttelte den Kopf und reichte sie Hank zurück. Seine schlanken Finger waren auch braun, aber um einiges heller als die des schwarzen Freundes. »Nimm das wieder, du Idiot. Vermutlich ist das Ding auch noch wertvoll«, sagte er.
    Hank lachte heiser. »Das ist es, Willy Boy, ist es wirklich. Das ist eine afrikanische Fruchtbarkeitsgöttin aus Elfenbein. Meine Oma hat sie mir geschenkt, sie gehörte ihrer Urgroßmutter. Die Göttin hat afrikanische Sonne gesehen. Du wirst sie behalten oder der alte Hank ist schwer beleidigt.«
    Will zog die Hand zurück, zuckte mit den Achseln und hängte sich die Figur um den Hals. Dann zog er seine neuen Kleider an und legte sich auf seine Pritsche. Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sagte leise: »Auf Wiedersehen, Hank, und lass dich nicht unterkriegen. Mach keinen Unsinn, es lohnt sich durchzuhalten. Wir sehen uns im Big Res. Du weißt, wo du mich findest.«
    Von nebenan murmelte es: »Auf Wiedersehen, Willy Boy. Grüß die Freiheit von mir und die Mädchen. Ich bin wirklich gespannt auf die Kleine, von der du mir immer erzählt hast. Bald musst du nicht mehr träumen, dann kannst du sie in deinen Armen halten. Ich beneide dich.«
    Will hörte ein irres Lachen aus seiner anderen Nachbarzelle und wusste, das war das Signal für eine weitere, qualvolle Nacht. Aus den übrigen Zellen auf dem Gang kamen anzügliche Bemerkungen und Rufe, die zu wilden Schreien wurden. Jemand schlug mit etwas Hartem gegen die Gitterstäbe, ein anderer drosch seinen Kopf gegen die Zellenwand. Will presste seine Hände auf die Ohren und schloss die Augen. Noch genau zehn Stunden und er würde dieser Hölle entkommen sein. So viele Türen und Tore bis zur Außenwelt, doch morgen sollten sie sich für ihn öffnen, und die Freiheit würde ihn in Empfang nehmen.
    Eine genaue Vorstellung, was diese Freiheit für ihn bedeutete, hatte er nicht. Dafür war er einfach zu lange hinter Stahl und Beton gesperrt gewesen; zu lange weg aus dem Reservat, weg von seinem Land. Will wusste nur eines: Sein Großvater würde da sein und das Holzhaus, das, seit er denken konnte, sein Zuhause war. Vielleicht würde auch Kaye da sein. Aber daran sollte er sich lieber nicht festhalten.

    Kojote war durstig. Seine raue Zunge lechzte nach Wasser. Es war eine mondlose Nacht und feuchte Kühle lag in diesem ausgetrockneten Flussbett. Zweiherz trabte lautlos einen schmalen Mesapfad hinauf und trank aus einer Nachtquelle, die in einer Felsspalte entsprang. Er schüttelte sich, streckte seine mageren Glieder. Die Nacht war seine Zeit. Seine Augen glühten rot in der Dunkelheit der Halbwüste. Er schnüffelte und hielt inne.
    Dieser Ort war gut. Gleich dort drüben war der Steinhügel, der von einem seiner vergangenen Siege kündete. Ein unglücklicher Mann, zu schwach, zu unsicher. Wenn Kojote sich Mühe gab, konnte er das Widerhallen des Schusses in den Bergen hören, obwohl sein Sieg schon Jahre zurücklag. Ah-rr-ah, was für ein Klang. Wie naiv diese Menschen manchmal doch waren. So gutgläubig. So dumm. So leicht zu verwirren und ihren Gefühlen vollkommen ausgeliefert.
    Das Quellwasser hatte den Vierbeiner munter gemacht. Ein Zittern durchlief seinen Körper und verstärkte die Aufregung, die er spürte. Eine Jagd stand bevor, ein neues Spiel.

    Window Rock, Arizona

    Kaye trat ihrer Freundin unter dem Tisch auf den Fuß und steckte ihren Zeigefinger in Shelleys Becher mit Eistee. »Gib sofort meinen Burger zurück, ich muss wieder an die Arbeit.«
    Shelley kicherte. »Au, verdammt noch mal, musst du immer gleich so rabiat werden?« Sie donnerte den stibitzten und angebissenen Hamburger zurück auf Kayes Pappteller.
    Kaye zog ihren Finger aus Shelleys Eistee und leckte ihn ab.
    »Arbeit!«, spottete die blonde Shelley. »Tu doch nicht so, als ob du wirklich arbeiten würdest. Wer kauft in diesem gottverlassenen Nest schon ein Buch? Das war so eine typische verrückte Idee von deiner Mutter, ausgerechnet in Window Rock einen Laden mit Büchern aufzumachen. Falls du es noch nicht mitbekommen hast: Wir leben hier am Ende der Welt. Da kaufen die Leute Hamburger und Cola, sie hüten Schafe, spielen Bingo, aber sie lesen keine Bücher.«
    »Das stimmt nicht«, sagte Teena, das dritte Mädchen am Tisch. »Ich habe in Kayes Laden schon eine Menge Bücher gekauft.«
    »Du bist ja auch nicht normal.« Shelley winkte ab. »Wie kann man nur den ganzen Tag in irgendwelchen Büchern lesen? Du lebst fremdes Leben, Teena.

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