Zweiherz
Augen an.
»Der Fall wurde heute so gut wie abgeschlossen«, begann Thomas. »Der Mann im Wagen hieß Tom Rost und stammte aus New York. Er war vorbestraft wegen illegalem Kunsthandel und versuchter Körperverletzung. In seinem Wagen haben wir das Gewehr gefunden, mit dem Northridge getötet wurde. Alles scheint klar, aber ich habe meine Zweifel. Am Unfallort hat jemand Spuren verwischt.«
Kaye stöhnte leise. Sie wollte nicht glauben, dass es noch nicht vorbei sein sollte.
»Zwei Weiße allein können niemals gewusst haben, wo sich diese Felszeichnungen befanden«, stimmte Will Totsonis Gedankengängen zu. »Sie brauchten jemanden, der sich im Reservat gut auskennt. Einen Einheimischen, einen diné .«
Thomas nickte.
»Dieser Mann, Tom Rost, ist wahrscheinlich bei Großvater Sam gewesen und hat ihn ausgefragt«, bemerkte Kaye.
»Hat er ihnen von den Felsbildern erzählt?«, wollte Thomas wissen.
»Nein. Er hat Großvater Sam nur nach dem Weg gefragt, nicht nach Felszeichnungen. Ich glaube, er wollte herausfinden, ob der alte Mann allein in seinem Haus lebt.«
»Das ist gut möglich«, sagte Thomas. »Die Zeichnungen wurden nach drei Kriterien ausgewählt. Erstens waren sie besonders schön und sehr gut erhalten. Zweitens befanden sie sich ausschließlich auf Privatland, das alten Leuten gehört, und drittens waren sie zwar schwer zugänglich, aber trotzdem mit dem Fahrzeug erreichbar. All das kann nur jemand wissen, der sich eingehend damit beschäftigt hat.«
Will blickte erschrocken auf.
»Was ist?«, fragte Thomas, der die Veränderung in Wills Gesicht sofort bemerkt hatte.
»Ich weiß nicht...«
»Wenn dir irgendetwas eingefallen ist, musst du es mir sagen, Will. Vertrau mir, ich bitte dich darum!«
Will seufzte. »Aquilar hat mir erzählt, sein Vater besäße eine Karte, auf der alle Felszeichnungen eingetragen sind und ihr Alter aufgelistet ist. Studenten von der Universität in Tsaile haben dieses Gutachten erarbeitet und Josef Yazzie hat es als Vorsitzender für Stammeskultur in Verwahrung.«
»Richtig«, sagte Thomas. »So weit bin ich auch gekommen. Ich bat also Yazzie um diese Karte, damit wir herausfinden konnten, wo die Diebe vielleicht noch zuschlagen würden. Aber Josef Yazzie konnte die Karte nicht finden. Yazzie ist ein kluger und umsichtiger Mann, absolut zuverlässig. Er hatte sie natürlich an einem sicheren Ort aufbewahrt. Das heißt, jemand aus seiner Familie musste die Karte genommen haben. Yazzie bat mich, Stillschweigen zu bewahren.« Der Polizist machte eine Pause. »Ihr wisst, wie die Dinge hier laufen«, sagte er schließlich. »Solche Angelegenheiten werden innerhalb der Familie geregelt.«
»Du glaubst, irgendjemand von den Yazzies hat Northridge getötet?«, fragte Kaye erschrocken. »Um Aquilar zu rächen? Das glaube ich einfach nicht.« Sie sah Will an, forschte in seinem Gesicht, was er von den Gedankengängen ihres Onkels hielt.
Will schüttelte nur den Kopf. Auch er konnte nicht glauben, dass jemand aus Aquilars Familie einen Menschen umgebracht hatte. »Die Mitglieder des Enge-Schlucht-Clans leben streng nach traditionellen Regeln«, sagte er. »Auch wenn sie wütend sind über das, was Aquilar angetan wurde, hegen sie doch keine Rachegedanken. Sie freuen sich über die Fortschritte, die seine Genesung macht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass einer von ihnen etwas mit dem Tod der Männer zu tun hat.«
»Es muss niemand aus dem Clan oder der Familie sein«, wandte Thomas ein. »Aber jemand, der den Yazzies sehr nahesteht und in ihrem Haus ein- und ausgeht.«
»Bob Atisi«, dachte Will laut.
»Wer, zum Teufel, ist das?«, fragte Kaye.
Auch Thomas Totsoni sah Will erwartungsvoll an. Dieser Name war in all dem Wirrwarr der letzten Tage noch nicht einmal aufgetaucht.
»Bob Atisi ist Maria Yazzies Freund«, klärte Will die beiden auf. »Ich lernte ihn einmal kurz kennen, als ich die Familie besuchte. Besonders sympathisch war er mir nicht, aber dass er fähig sein könnte, jemanden zu töten, möchte ich nicht behaupten. Aquilar hat mir erzählt, dass sein Vater Atisi nicht besonders mag. Bob hat vier Jahre wegen Diebstahls im Gefängnis gesessen.« Er blickte aus dem Fenster, um weder Kaye noch ihren Onkel ansehen zu müssen. »Mit den Diebereien hat er seine Alkoholsucht finanziert. Aber Maria liebt Bob, deshalb hat ihr Vater ihn als zukünftigen Schwiegersohn akzeptiert. Die beiden wollen bald heiraten.«
Thomas stieß hörbar Luft aus. Josef Yazzie hatte
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