Zweiherz
unvermittelt.
»Bist du etwa eifersüchtig?« Kaye lächelte.
»Vielleicht«, brummte er. »Ich hatte den Eindruck, ihr beide kennt euch sehr gut.«
»Pete und ich sind Freunde«, sagte sie. »Mehr war da nicht.«
Will sah sie immer noch fragend an und wartete auf eine Antwort, deshalb sagte sie schließlich: »Er heißt Pete Yatasi und wohnt drüben auf der First Mesa. Er hat mir geholfen, über Moms Tod hinwegzukommen.«
»Ein Hopi?«
»Ja, ein Hopi . Nun erzähl mir nicht, dass du was gegen die Hopi hast. Sie haben dir nichts getan.«
»Kommt darauf an.«
»Auf was?«
» Wie dieser Pete dich getröstet hat?« Will nestelte nervös an den Fransen eines gewebten Sofakissens herum.
»Wir haben geredet, auch über dich.«
»Nur geredet?«
»Nur geredet.«
»Wusste er, wer ich bin?«
Kaye lachte. »Zuerst nicht, aber als du wieder fort warst, schon. Ich habe dir von Pete geschrieben, Will. Ich glaube, er war mal ziemlich verliebt in mich, aber ich hatte immer nur dich im Kopf. Jetzt hat Pete eine Freundin. Er hat mir viel von ihr erzählt und will, dass ich sie kennenlerne. Du musst nicht eifersüchtig auf ihn sein.«
»Bídínéestah« , sagte er. »Ich will es versuchen.«
Kaye lächelte und gab ihm einen Kuss. Sie nahm ihren Kopf zurück, sah ihn an und küsste ihn noch einmal. Dann sah sie ihn wieder an.
»Ist alles klar bei dir?«, fragte er.
»Es fällt mir schwer, dich nicht zu berühren.«
»Aber wer sagt denn, dass...?«
»Na ja, Aquilar...«
»Aquilar?« Will legte das Kissen zur Seite. »Hágo« , sagte er, »komm her.« Und nahm sie in die Arme. »Ich muss dir noch etwas sagen.«
»Was Schlimmes?«
»Ich habe dir auch geschrieben.«
»Ist das wahr?« Überrascht sah Kaye ihn an.
»Na ja, es sind nicht so viele Briefe, wie ich sie von dir bekommen habe, aber immerhin...«
»Darf ich sie lesen?«
»Ja«, sagte er. »Ich hoffe nur, du kannst was aushalten.«
Statt einer Antwort kuschelte Kaye sich an ihn. Wenig später waren beide auf der Couch eingeschlafen.
Thomas Totsoni presste sich sein Taschentuch derart fest vor die Nase, dass die Nasenlöcher vollkommen zu waren und er nur durch den Mund atmen konnte. Der Gestank nach verbranntem Fleisch, ausgelaufenem Diesel und verkohltem Gummi war so widerlich, dass ihm ganz schlecht wurde. Unter seiner braunen Haut war er jetzt beinahe so blass wie ein bilagáana , ein Bleichgesicht.
Das Gesicht des toten Mannes war bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, aber Thomas war sich sicher, dass es ein Weißer war. Er spürte die Gegenwart seines ch’iindi , seines Totengeistes, der immer noch hier herumirrte. Starb ein Mensch, verließ das Gute in ihm mit dem Geist den Körper. Zurück blieb der Teil seines Wesens, der sich nicht im Zustand der Harmonie befunden hatte, und irrte die nächsten vier Tage als ch’iindi , als zerstörerischer Geist, in der Nähe des Toten umher. Wenn man mit ihm in Berührung kam, konnte er Krankheiten und andere Übel verursachen.
»Alles in Ordnung?«, fragte FBI-Agent Booker. Er war von Gallup herübergeschickt worden und hatte auf Thomas gleich von Anfang an einen unerwartet sympathischen Eindruck gemacht. Booker wirkte nicht überheblich und bezweifelte auch nicht die Kompetenz seines indianischen Kollegen.
Thomas nickte. »Ja, es geht schon.«
»Ihr Navajos mögt Leichen nicht sonderlich, nicht wahr?«, sagte Agent Booker. »Woher rührt eigentlich diese Totenangst?«
Totenangst . Totsoni sah dem anderen kurz in die hellgrauen Augen, konnte aber keinen Spott entdecken. »Das ist eine lange Geschichte, Booker. Und ich weiß nicht, ob Sie sie verstehen würden.« Für einen Augenblick musste er daran denken, wie er als Junge nach der Beerdigung seines Vaters über spitze Yuccapflanzen, Ameisenhügel und Kakteen gesprungen war, in der Hoffnung, den Geist des Toten irgendwie abzuhängen.
Agent Booker lachte. »Und was tun Sie dann in so einem Fall?« Er nickte in Richtung schwarzer Mann. »Schließlich sind Sie Polizist geworden und haben gewusst, was auf Sie zukommen wird.«
»Entweder wir überwinden unsere Angst«, näselte Thomas durch sein Taschentuch, »oder wir holen das FBI.«
Booker schüttelte den Kopf und lachte erneut. Er winkte zwei junge weiße Officer heran, die er aus Gallup mitgebracht hatte, und wies auf den verkohlten Leichnam. »Schaffen Sie ihn weg!«, ordnete er an. Dann piepte es oben in seinem Wagen und er stieg den Abhang hinauf. Thomas warf noch einen Blick auf den Toten und die
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