Zweilicht
Grübchen neben den Mundwinkeln. Diesmal schaute sie nicht verlegen weg, sondern erwiderte seinen Blick. Alles Kühle war aus ihrer Miene verschwunden. Und Jay stellte fest, dass sie ihm nicht nur gefiel, er mochte sie wirklich.
»Stimmt es, dass du kein Handy hast?«, fragte er. »Bist du in einer Art Klub – ein Jahr ohne Kommunikation oder so?«
»Nein. Zu Hause habe ich irgendwo noch eines in der Schublade, aber ich mache es nie an. Ich mag es nicht, ständig erreichbar zu sein.«
»Und ins Internet gehst du auch nicht gerne? Ich hatte versucht, dich bei Facebook und auf den anderen Plattformen zu finden.«
»Du hast nach mir gesucht?« Sie grinste. »Ich habe mich bei den ganzen Social-Media-Geschichten abgemeldet. Es muss kein Mensch wissen, welche Filme ich anschaue und in welchem Café ich gerade in der Nase bohre. Ist nur Zeitverschwendung. Außerdem habe ich keine Lust, durchsichtig zu sein.«
»Auf dem Schwarzen Brett steht, du renovierst mit ein paar anderen das alte Kinderkino am Spielplatz.«
»Aha, wenn das Internet nichts hergibt, spionierst du in der Schule herum?«
»Ja. Wenn es die einzige Möglichkeit ist, irgendetwas über dich zu erfahren …«
Wenn seine Direktheit sie diesmal verblüffte, ließ sie es sich jedenfalls nicht anmerken. »Ich mag das Kino – als ich klein war, war ich fast jeden Sonntag dort. Und jetzt ist es mein Community Project. Du weißt, dass jeder Schüler im Halbjahr ein paar Stunden gemeinnützige Arbeit leisten muss?«
»Ich weiß, deshalb kam ich auf das Kino. Am Schwarzen Brett stand, ihr braucht noch Leute, die handwerklich begabt sind. Ich helfe in der Werkstatt meines Onkels mit. Außerdem mag ich Filme.«
Was so untertrieben war, dass es schon fast wie eine Lüge klang.
Mit einem Seitenblick auf seinen durchtrainierten Körper bemerkte Madison:
»Action-Filme? Martial Arts?«
»Auch. Aber eigentlich eher Science-Fiction – auch die Klassiker. Kennst du THX 1138 ?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Der erste Spielfilm von George Lucas. Wenn du gegen Internet und Überwachung bist, müsste der dir gefallen.«
»Klingt gut. Mir gefällt Avatar . Und Matrix und Gattaca .«
Wow. Gleich dreimal auf derselben Wellenlänge. Wahrscheinlich wache ich gleich auf und stelle fest, dass es nur ein Jetlag-Wunschtraum ist.
Jetzt hatte die Stille nichts Angespanntes mehr. Unmerklich passten sie ihre Schritte einander an. Es fühlte sich fast schon vertraut an.
»Da vorne ist schon die russische Kirche«, sagte sie nach einer Weile und deutete auf eine Kuppel, die sich über den Hausdächern erhob. »Wenn du an der nächsten Straße nach links und dann an der Kirche vorbeigehst, kommst du direkt in den Park.«
»Mhm«, antwortete Jay, ohne stehen zu bleiben. Und dann gingen sie einfach weiter nebeneinanderher, am Park vorbei und geradeaus weiter, über Kreuzungen und Ampeln. Sie schwiegen selbst dann noch, als Madison in eine schmale Seitenstraße abbog und vor einem schmalen Haus mit einer Treppe stehen blieb.
»Tja, dann schon mal viel Erfolg beim Training. Sei vorsichtig mit Pete. Er spielt nicht immer fair. Und wenn er ausrastet, holt er jeden von den Beinen.«
»Danke für die Warnung.«
Umständlich kramte sie ihren Hausschlüssel aus der Jackentasche. »Also dann …«
Jetzt war er so nervös, dass er sogar nach den einfachsten Worten suchen musste.
»Kommst du … eigentlich morgen auch zur Party?«
Zu seiner Enttäuschung schüttelte sie den Kopf. »Nicht meine Clique. Aber ich bin sicher, Sally freut sich auf dich.«
»Kann schon sein. Aber sie interessiert mich nicht, falls du darauf anspielst.«
Eines musste man ihr lassen, sie beherrschte ihr Pokerface wirklich gut. Seine Karten lagen auf dem Tisch, aber sie tat so, als hätte sie seine Worte nicht gehört.
»Bis Montag«, sagte sie nur und begann die Treppe hochzugehen. Er blickte ihr nach, die Hände in die Jackentaschen gekrampft. Endlich gab er sich einen Ruck und zog den roten Flyer hervor, Plan B.
»Hey, Madison! Wenn du Science-Fiction-Filme magst: Nächste Woche zeigen sie Blade Runner bei der Classic Night im Park. Freilicht-Kino, letzte Vorstellung in diesem Jahr.«
Sie blickte auf ihn herunter, wieder ganz die coole Madison, die stolz darauf war, die Außenseiterin zu spielen. »Du verschwendest wohl keine Zeit«, meinte sie spöttisch. »Aber hier bei uns gibt es bestimmte Regeln für ein Date.«
»Wie kommst du darauf, dass ich ein Date will?«
»Jemanden ins Kino
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