Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
Vom Netzwerk:
Bad wusch er sich fröstelnd mit eiskaltem Wasser und zog sich um. Dann griff er zum Handy. Nur um festzustellen, dass der Akku immer noch leer war.
    Er ließ sich auf den Badewannenrand sinken und rieb sich die Augen. Er war aufgedreht und wie in Trance – und gleichzeitig, das spürte er jetzt erst – hundemüde und ziemlich durcheinander. Seine Euphorie verwandelte sich in eine seltsame nagende Sehnsucht. »Madison«, flüsterte er. Verrückt, dass man gleichzeitig so überwältigt und völlig durch den Wind sein konnte. Und beinahe hätte ich es versiebt. Wegen Ivy.
    Ivy.
    Das ernüchterte ihn sofort. Er hob die Taschenlampe und richtete den Lichtkegel auf das Badfenster. Das Licht streifte die äußersten nackten Äste des Amberbaums. Einer wippte im Wind, als würde er höhnisch winken. Jay sprang auf und riss die Jalousie herunter. Schwer atmend starrte er die vergilbten Plastiklamellen an. Plötzlich hielt er es im Haus keine Minute länger aus. »Matt? Ich gehe noch eine Runde und sehe nach dem Hund!«
    *
    Erst nachdem er mehrere Straßen entlanggerannt war, hatte er sich wieder so weit aufgewärmt, dass nicht jeder Laufschritt schmerzte. Langsamer joggte er weiter. Der regelmäßige Takt trug ihn durch eine Welt von flirrenden Ampellichtern. Der kalte Oktoberwind glitt an ihm ab. Nach und nach wurde er etwas ruhiger. Aber erst als er von Weitem die Kuppel der russischen Kirche sah, merkte er, dass sein Weg ihn wie durch Zufall zurück zum McCarren-Park führte. An der Kreuzung blieb er stehen. Wie um sich selbst etwas zu beweisen, pfiff er nach dem Hund. Kein Bellen antwortete ihm, nur eine Feuerwehrsirene heulte irgendwo im Viertel auf. Ein paar Kneipengänger drängten sich an ihm vorbei und gingen plaudernd weiter.
    »Geh wieder zurück«, sagte er leise zu sich selbst. »Vergiss es und hör auf zu spinnen, Ivy war nicht im Park. Weil sie nur in deinem Kopf existiert.«
    Als er den Namen aussprach, war es, als wäre er plötzlich endgültig nüchtern geworden. Er fröstelte und zog seine Jacke enger um die Schultern. Der Wind schien schlagartig ein paar Grad kälter geworden zu sein. Irgendwo schrie ein Nachtvogel. Der Eingang zum Park war dunkel, Stille schien im Schatten mit angehaltenem Atem zu warten. Doch dann bildete er sich ein, irgendwo ein leises Winseln zu hören.
    In der Nähe des Parkplatzes flackerten elektrische Fackeln, die bläulich leuchteten, als Wegweiser. Aber Jay sah nur noch wenige Autos, und als er kurz darauf den Park betrat, schien dieser leer. Müll und Plastikbecher lagen überall herum. Langsam ging er zum Freilichtkino hinüber. Bei dem Baum neben dem Kassenhäuschen blieb er stehen und ließ den Blick nervös über die Bäume schweifen. Wind rauschte in den Kronen und übertönte sogar kurzzeitig den fernen Straßenlärm.
    »Ivy?« Im selben Moment kam er sich lächerlich vor. Ich sollte zu Hause sein und von meiner Freundin träumen, stattdessen rufe ich nach einer Wahnvorstellung.
    Natürlich geschah gar nichts. Hatte er wirklich erwartet, dass sie hier auf magische Weise vor ihm erscheinen würde? Das wäre ein Fressen für Sally und Jenna: Jay sucht nachts im Park nach Elfen .
    Er pfiff ein letztes Mal nach Feathers, dann machte er abrupt kehrt und ging zurück in Richtung Ausgang – mit energischen Schritten, sorgfältig darauf bedacht, nicht so zu wirken, als würde er weglaufen. Überlaut knirschten seine Sohlen auf zerbrechenden Plastikbechern und Laub. Er war schon fast an dem letzten Baum vor dem Ausgang vorbei, als etwas ihn stutzen ließ. Ein Echo? Hier? Ruckartig blieb er stehen. Noch einmal erklang die nicht ganz gelungene Imitation seines Pfiffs, dann hörte er ein ängstliches Winseln, das ihn herumfahren ließ.
    »Suchst du den hier?«, rief eine spöttische Stimme.
    Der Hund zappelte in einem löchrigen Plastiknetz, das unter einem krummen Baum an einem Seil dicht über dem Boden baumelte.
    Jay schnellte vor und fasste nach dem Bündel, das sich im selben Moment seinem Griff entzog und nach oben schnellte. Ohne nachzudenken, stürzte er zum Stamm und sprang zum untersten Ast hoch. Mit einem Klimmzug hievte er sich hoch und begann zu klettern. Feathers hing in einer Astgabel und winselte immer noch. Doch als Jay ihm nahe kam, knurrte er. Wahrscheinlich ist er jetzt völlig in Panik . Das Seil, an dem das Netz hing, war nur lose um den Ast geschwungen. Der Knoten verdiente den Namen nicht und lockerte sich bei jeder Bewegung des Hundes mehr. Jay löste

Weitere Kostenlose Bücher