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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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Szene nahm er Ivy mit in den Dschungel auf der Insel Skull Island, wo eine Gruppe von Abenteurern und Filmleuten einen riesenhaften Gorilla entdeckte. Er beschrieb die Jagd auf das Monster so eindringlich, dass er sehen konnte, wie Ivy Gänsehaut bekam. Sie fieberte mit, als der Riesenaffe mit dem Schiff nach New York gebracht wurde, und sie lachte triumphierend auf, als King Kong sich im Theater von seinen Fesseln befreite und die blonde Schauspielerin auf das Empire State Building entführte. Und als der Riesenaffe schließlich tödlich getroffen in die Tiefe stürzte, waren ihre Augen vor Faszination weit aufgerissen. Als Jay geendet hatte, blickten sie beide zum Turm und ließen die Bilder in sich nachklingen.
    »Na gut, das war ein ganz nettes Ungeheuer«, sagte Ivy nach einer Weile. »Aber King Kong ist noch gar nichts gegen die grässliche Weltenschlange Jörmungand, die die ganze Welt umschlingt. Hör zu!«
    Er hatte nicht gewusst, wie ausgehungert er nach Bildern und Geschichten gewesen war. Fasziniert ließ er sich davontragen in eine Welt tief im Ozean, in der eine winzige Bewegung des schuppigen Monsterleibes das ganze Meer in Aufruhr versetzte. Noch mehr aber nahm ihn Ivy selbst gefangen. Ihre Wangen glühten, sie malte mit Gesten und Worten die Geschichte. Sie war sprühendes Sonnenlicht, ihr Temperament wärmte ihn, riss ihn mit sich und brachte ihn zum Lächeln. Nach den Ungeheuern kamen sie zu den Helden – und schon beschrieb er Anakin Skywalkers Wandlung zu Darth Vader und ließ sie miterleben, wie Spiderman sich am Spinnenfaden von Hochhaus zu Hochhaus hangelte. Ehe er sich’s versah, redete er von dem Leben in der Stadt, von Autos, von Flugzeugen und von den Spielen der New York Yankees. Als sie nach einer Ewigkeit wieder aus dem Kosmos ihrer Geschichten auftauchten, war es, als würden all diese Gestalten noch in der Luft wirbeln und sie einhüllen wie bunte Lichter. Ivy musterte ihn, als hätte sie ihn noch nie richtig gesehen. In der Nachmittagssonne glänzte ihr Haar fast kupferblond. Ein paar flirrende Sekunden lang sahen sie sich in die Augen, und Jay wunderte sich, wie glücklich er trotz allem immer noch sein konnte.
    »Ivy?«, fragte er leise. »Wie heißt du wirklich?«
    Sie sah ihn an, als hätte er sie aufgefordert, vom Hochhaus zu springen. Alle Farbe wich aus ihren Wangen. »Was?«, flüsterte sie fassungslos und rückte von ihm ab.
    »Du … hast dich nach einem Efeublatt benannt. Aber du hast doch einen richtigen Namen?«
    Hastig sprang sie auf. »Wir müssen gehen, es ist spät.« Ärger schwang in ihrer Stimme.
    »Habe ich etwas Falsches gesagt? Du kennst meinen Namen doch auch!«
    Sie runzelte die Stirn, als würde sie überlegen, ob er einen schlechten Scherz machte oder es ernst meinte. Dann aber schien sie sich auf ihre Rolle zu besinnen. »Entschuldige. Ich vergesse manchmal, wie wenig du von uns weißt. Es ist so: Unseren richtigen Namen kennen außer unseren Eltern und Geschwistern nur Menschen, mit denen wir tief verbunden sind – mit unserer Seele und unserem Leben. Es ist der größte Vertrauensbeweis und das größte Geschenk, das wir jemandem machen können. Bis dahin hüten wir ihn besser als unser Leben. Manchmal ist das nur ein Mensch im ganzen Leben, manchmal verraten wir unseren Namen auch niemandem. Also frag nicht danach. Niemals! Das ist … wie ein Angriff, verstehst du?«
    Jay nickte betreten. Und ich dachte, meine Welt war kompliziert .
    »Faye heißt also auch nicht so?«
    »Nein. Und Columbus nennt sich nach einem Seefahrer aus eurer Zeit.«
    »Na ja, eigentlich lebte er ein paar Jahrhunderte früher.«
    »Wie auch immer, es ist ohnehin nicht wichtig. Er hat auf jeder Expedition einen neuen Namen.«
    »Aber wozu? Warum ist das so?«
    Ivy zeigte ihm ein schmales, ironisches Lächeln. »Siehst du? Höre auf die Märchen aus der alten Welt. Namen haben seit jeher eine besondere Magie. Sie geben den anderen Macht über uns, Jay.«
    »Das heißt also, du darfst meinen Namen wissen, aber deiner ist tabu?«
    Hastig stand sie auf. »Bei dir ist es ohnehin zu spät. Die Wächter kennen deinen Namen. Ohne ihn hätte deine schwarzhaarige Hexe dich gar nicht in ihren Bann ziehen können. Ich kann dich jetzt nur davor schützen, dass sie dich wieder findet. So, und jetzt sollten wir zusehen, dass wir hier wegkommen. Bei Tag bin ich stärker als sie, aber sobald es dunkel wird, sind wir hier nicht mehr sicher.«
    Es war wie eine Ohrfeige. Von einer Sekunde zur

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