Zweimal Hölle und zurück (German Edition)

ausgesprochen angemessene Reaktion auf die Ereignisse des Abends war. Ich wusste es zu schätzen, dass Jessica mir zur Seite sprang (das tat sie immer), aber sie war nicht ganz auf dem Laufenden .
    Nick war überfallen worden. Schon wieder. Von Vampiren vergewaltigt worden … nicht zum ersten Mal. Ich wunderte mich, dass er nicht einfach in der Hecke liegen geblieben war .
    »Wie oft muss ich das noch sagen?«, rief Jessica gerade. »Wie oft muss ich es dir noch unter die Nase reiben? Sie ist nicht böse!«
    »Nein, Jess, ist schon gut …«
    »Sie trinkt Blut, weil sie tot ist«, erwiderte er und spuckte auf den Boden – spuckte Blut, sollte ich wohl genauer sagen –, und ich schämte mich, dass meine Fangzähne wieder wuchsen. Ich wagte nicht, den Mund zu öffnen, um mich dazu zu äußern. Er sollte nicht sehen, dass ich nichts anderes wollte als trinken, trinken, trinken. »Sie ist ein Killer, und das weißt du auch.«
    »Ich liebe sie. Sie ist die Schwester, die ich nie hatte, und das weißt du auch.«
    »Äh, vielleicht könnten wir … äh … uns in einen anderen Raum zurückziehen und die … äh, Bedingungen der Kapitulation aushandeln?«, fragte Tina, weil den Biestern anzusehen war, wie unbehaglich sie sich als unfreiwillige Zuschauer dieser Kabbelei unter Liebenden fühlten .
    »Oder wir könnten auch später darüber sprechen, wenn sich alle wieder beruhigt haben«, warf ich in die Runde .
    Doch Jessica beachtete uns nicht. Für sie war Nick der einzige im Raum Anwesende. »Verlang von mir nicht zu wählen!«, warnte sie ihn .
    »Das verlange ich nicht. Ich wähle. Wir sind fertig miteinander.« Er wischte über sein Gesicht, und wir alle taten so, als sähen wir nicht, dass seine Hand zitterte und er Jessicas Blick auswich .
    »Da hast du recht«, antwortete sie kalt. »Das sind wir.«
    Und einfach so … war alles vorbei. Sie waren kein Paar mehr. Das Band zwischen ihnen war zerrissen. Beinahe hätten wir alle es reißen hören können .

4
    Aber so war es ja gar nicht gewesen. Weil ich mich in dieser alternativen Realität nie von Nick genährt hatte. Und statt von einer solchen Veränderung aus heiterem Himmel verblüfft zu sein dachte ich zum ersten Mal, dass sie vielleicht auch ihre positiven Seiten hatte. Denn wie oft im Leben bekommt man schon die Gelegenheit, noch mal ganz von vorn anzufangen?
    »Seid ihr verheiratet? Bin ich auf eurer Hochzeit gewesen? Was hab’ ich angehabt? Ihr habt doch bestimmt im Frühling geheiratet? Und hab ich zu diesem Anlass zum ersten Mal meine Dahlia-Pointy-Toe-Ankle-Boots von Christian Louboutin getragen? Das ist ja fast zu viel des Guten!«
    »Es ist scheußlich, dass du wieder mal nur über Schuhe reden kannst und dass jeder hier am Tisch weiß, dass du über Schuhe redest.«
    »Die haben nämlich gar nicht so furchtbar hohe Absätze. Ich hätte stundenlang in ihnen herumlaufen können, egal, wie lange die Trauung gedauert hätte, ohne nach einem Anästhesisten zu rufen.« Ich wandte mich an Sinclair. »Ich kann mich zwar blitzschnell von Schusswunden erholen, aber meine Füße tun nach ein paar Stunden in High Heels immer noch weh. Was für ein Scheiß!«
    Jessica runzelte die Stirn. »Moment mal. Wer hat auf dich geschoss…?«
    »Wir sind nicht verheiratet«, fiel ihr Dick/Nick ins Wort. »Noch nicht. Ist aber nett zu hören, dass es bei unserer Nicht-Hochzeit wieder einmal nur um dich geht, Bets.«
    Nun, das stimmte ja auch . Ich beschloss aber, es lieber nicht laut zu sagen. Es ging wirklich um mich! Oder zumindest ein bisschen . Meine Christian-Louboutin-Ankle-Boots waren hier die wahren Leidtragenden.
    Jessica versuchte, die Arme vor ihrem gigantischen Bauch zu verschränken, was ihr nicht gelang. »Fang gar nicht erst mit diesem ›Noch nicht‹-Blödsinn an!«
    »Ja«, stimmte Sinclair hastig zu. »Tu’s nicht!«
    »Ach, jetzt kommt schon!«, grinste Marc. »Ihr könnt mir doch nicht das Drama vorenthalten! Ich brauche das! Wie Jenna sagt: ›Drama ist mein Gatorade, es füllt meine Elektrolyten wieder auf.‹«
    Aha! Etwas war doch gleich geblieben in diesem anderen Universum: Marc war immer noch der treue Fan von Jenna Maroney in der Fernsehserie 30 Rock . Schon komisch, wie die kleinen Dinge mir halfen, mich wieder besser zu fühlen!
    »Und der Grund, warum die Antwort ›Noch nicht‹ statt ›Seit einem halben Jahr, und alles läuft super‹ lautet, ist, weil deine beste Freundin sich in den Kopf gesetzt hat, dass sie nicht für die Ehe taugt,