Zweimal ist einmal zuviel
Hundeblick. »Schokoladenpudding klingt phantastisch.«
»Abgemacht«, sagte Grandma. »Sie wissen, wo wir wohnen?«
Morelli versicherte ihr, er würde unser Haus sogar mit geschlossenen Augen finden, wollte aber zu unserer Sicherheit hinter uns herfahren.
»Ist das nicht großartig?« sagte Grandma, als wir im Auto saßen. »Er sorgt sich um unsere Sicherheit. So ein höflicher junger Mann. Und wie gut er aussieht. Außerdem ist er auch noch Polizist. Wetten, das war ein Revolver unter seiner Jacke.«
Den Revolver würde er brauchen, wenn meine Mutter ihn vor der Haustür entdeckte. Für sie würde dort nicht Joe Morelli stehen, der Appetit auf Schokoladenpudding hatte. Auch nicht der junge Mann, der nach der Schule bei der Marine angeheuert hatte. Und schon gar nicht der Polizist Morelli, sondern der achtjährige kleine Lüstling, der mit der damals sechsjährigen Stephanie in der Garage seiner Eltern »Puff-Puff« gespielt hatte.
»Das ist deine Chance«, sagte Grandma, als wir anhielten.
*
»Du könntest einen Mann gebrauchen.«
»Aber nicht den.«
»Und warum nicht?«
»Er ist nicht mein Typ.«
»In Sachen Männer hast du wirklich keinen Geschmack«, sagte Grandma. »Dein Exmann war ein Schlappschwanz. Alle wußten es, aber du wolltest ja nicht hören.«
Morelli parkte seinen Wagen hinter meinem und stieg aus. Meine Mutter öffnete die Tür, und sogar auf diese Entfernung konnte ich ihre verkniffene Miene und den stocksteifen Rücken sofort erkennen.
»Wir freuen uns schon alle auf den Pudding«, sagte Grandma. »Wir haben Detective Morelli mitgebracht, weil er seit ewigen Zeiten keinen selbstgemachten Schokoladenpudding mehr gegessen hat.«
Meine Mutter preßte die Lippen zusammen.
»Ich möchte Ihnen keine Umstände machen«, sagte Morelli. »Sicher haben Sie nicht mit Besuch gerechnet.«
Das war der Zauberspruch, der einem in unserem Viertel jede Tür öffnete. Keine Hausfrau, die etwas auf sich hielt, würde sich nachsagen lassen, daß sie nicht jederzeit bereit war, Besuch zu empfangen. Mit diesem Spruch hätte sich sogar Jack the Ripper problemlos überall Zugang verschaffen können.
Meine Mutter nickte schroff und trat unwillig zur Seite. Wir schoben uns an ihr vorbei ins Haus.
Aus Angst vor einem Blutbad war mein Vater nie über die »Puff-Puff«-Angelegenheit informiert worden. Daher war er Morelli gegenüber nicht feindseliger eingestellt als den anderen heiratsfähigen jungen Männern, die meine Mutter und Grandma von der Straße zerrten. Er musterte Joe kurz, betrieb nur das Nötigste an Konversation und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu. So gelang es ihm, meine Großmutter mit dem Pudding geflissentlich zu übersehen.
»Der Sarg war tatsächlich zu«, erzählte sie meiner Mutter. »Aber wegen eines kleinen Mißgeschicks habe ich Moogey Bues trotzdem gesehen.«
Meine Mutter riß die Augen auf. »Ein Mißgeschick?«
Ich schlüpfte aus der Jacke. »Grandma ist mit dem Ärmel am Sarg hängengeblieben, und dabei ist der Deckel aufgegangen.«
Meine Mutter schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Den ganzen Tag über haben die Leute wegen der Gladiolen angerufen. Jetzt werde ich mir morgen alles über den Sargdeckel anhören müssen.«
»Moogey sah nicht besonders gut aus«, sagte Grandma Mazur. »Ich habe Spiro zwar gesagt, daß er ihn gut hinbekommen hat, aber das war gelogen.«
Morelli trug einen Blazer und ein schwarzes Strickhemd. Als er sich setzte, sprang das Jackett auf und sein Hüftholster kam zum Vorschein.
»Schönes Teil«, sagte Grandma. »Ist das ein 45er?«
»Eine 9 mm Automatik.«
»Dürfte ich wohl einen Blick darauf werfen?« fragte Grandma. »Ich würde so etwas zu gern einmal in der Hand halten.«
»Nein«, riefen alle wie im Chor.
»Ich habe mal auf ein Hühnchen geschossen«, erklärte Grandma Morelli. »Es war ein Unfall.«
Morelli wußte nicht gleich, was er sagen sollte. »Wo haben Sie es getroffen?« fragte er schließlich.
»Genau in den Bürzel«, sagte Grandma. »Es war ein Volltreffer!«
Zwei Portionen Pudding und drei Bier später riß Morelli sich vom Fernseher los. Ich begleitete ihn nach draußen. Wir blieben noch eine Weile am Straßenrand stehen, um uns ungestört zu unterhalten. Es war eine stern- und mondlose Nacht. In den meisten Häusern brannte kein Licht mehr, und die Straßen waren leer. In einem anderen Stadtteil wäre einem eine solche Nacht vielleicht gefährlich vorgekommen, hier fühlte man sich sicher
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