Zwergenbann: Roman
sinnlos.
Von links ertönte ein kaum wahrnehmbares Geräusch. Thilus vergaß das Horn, als er die winzige Chance erkannte, die sich
ihm bot. Kraftvoll trat er zu. Sein Stiefel glitt scharrend über den Boden, ließ Staub aufwirbeln und schleuderte einen Hagel aus winzigen Steinchen in die Richtung, aus der das Geräusch ertönt war, das die Position des Dunkelelben zumindest ungefähr erahnen ließ.
Statt sein Horn zu ergreifen, ließ Thilus gleichzeitig seine Hand ein Stückchen weiter am Gürtel entlangwandern, packte den Griff seines Dolches und schleuderte die Waffe seinem Gegner entgegen.
Er traf.
Der Dolch schien mitten in der Luft stecken zu bleiben. Ein schriller, durch Mark und Bein gehender Schrei ertönte. Erneut wurden die Umrisse der Kreatur undeutlich sichtbar, als die Verletzung und der dadurch hervorgerufene Schmerz ihre Konzentration für einen Moment beeinträchtigten und sie ihre Unsichtbarkeit nicht mehr in der bisherigen Perfektion aufrechterhalten konnte.
Dieser Moment genügte Thilus. Entschlossen sprang er vor, führte zwei, drei wuchtige Schwerthiebe gegen die Klinge seines Gegners, duckte sich seinerseits unter einem Streich hindurch und rammte der Kreatur mit aller Kraft den Stahl durch die Kehle.
Helles, nahezu farbloses Blut sprudelte aus der Wunde. Tödlich getroffen brach der Dunkelelb zusammen, starrte ihn noch einige Sekunden lang voller Hass an und versuchte vergeblich, ein letztes Mal sein Schwert zu heben und nach ihm zu schlagen.
Dann starb er, und im Tode verlor seine Magie vollends ihre Wirkung. Das Glühen seiner Augen erlosch, und ebenso wie sein Artgenosse zuvor wurde er zur Gänze sichtbar.
Thilus starrte auf die reglos vor seinen Füßen liegende Gestalt hinab, die deutlich größer war als ein Zwerg, etwas größer sogar noch als die meisten Menschen, und dabei so schlank, dass sie geradezu hager wirkte. Gekleidet war sie von Kopf bis Fuß in eine Art Uniform aus eng anliegendem schwarzen Leder. Die Haut des Elben war ebenso gespenstisch bleich wie sein langes,
glatt fallendes Haar, das seinen Kopf im Tode wie ein Strahlenkranz umgab und seine spitz zulaufenden Ohren enthüllte.
Tot verlor die Kreatur viel von ihrem Schrecken, wirkte auf eine bizarre Art sogar beinahe ästhetisch, wie eine Erscheinung aus einer fremden Welt. Und in gewisser Hinsicht war sie das ja auch, doch handelte es sich um eine Welt, die allein vom Grauen beherrscht wurde.
Hasserfüllt versetzte Thilus dem Leichnam einen Fußtritt, dann bückte er sich, zog den Dolch aus seiner Brust und wischte die Klinge ebenso wie die des Schwertes an der Kleidung des Toten sauber.
Erst dann wurde ihm wieder bewusst, dass die Gefahr noch keineswegs gebannt war. Es war durchaus möglich, dass sich noch andere Dunkelelben in der Nähe herumtrieben, und selbst wenn nicht, konnten jeden Moment weitere durch den Riss im Fels an die Oberfläche gelangen. Erschrocken fuhr er zusammen und holte endlich nach, was er zuvor schon hatte tun wollen: Er löste sein Horn vom Gürtel und blies kräftig hinein; dreimal kurz und einmal lang, das vereinbarte Alarmsignal. Laut und klar schallte das Signal durch die Nacht, hallte machtvoll von den Berghängen wider, wurde von ihnen zurückgeworfen und noch verstärkt.
Was immer noch geschehen mochte, wenigstens waren die Zwerge in der Siedlung unten im Tal nun gewarnt und würden keine ahnungslosen Opfer eines aus dem Verborgenen geführten Angriffs werden. Darüber hinaus würden sie Verstärkung heraufschicken, doch Thilus wusste, dass seine Pflicht auch damit noch nicht erfüllt war. Es würde mindestens eine Stunde dauern, bis die Verstärkung eintraf, angesichts der größtenteils durch die Steinschläge verschütteten und unter Tonnen von Geröll begrabenen Wege vermutlich sogar eher zwei Stunden. Mehr als genug Zeit für die Dunkelelben, um eine komplette Streitmacht zu sammeln. Dazu durfte es unter keinen Umständen kommen, solange sich ihm auch nur die geringste Chance bot, es zu verhindern.
Tapfer kämpfte er gegen seine Furcht an und unterdrückte sie, aber es blieb dennoch mehr als nur ein beklommenes Gefühl zurück. Thilus musste all seinen Mut zusammennehmen, um die Laterne aufzuheben und sich langsam dem Riss in der Felswand zu nähern. Sein Unterbewusstsein gaukelte ihm Geräusche und Bewegungen vor, und obwohl er wusste, dass es sich nur um Einbildung handelte, rechnete ein Teil von ihm doch jeden Moment damit, dass ihn aus dem Nichts ein tödlicher
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