Zwergenbann: Roman
die halsbrecherische Kletterei. Wie gefährlich jede unbedachte Bewegung sein konnte, hatten sie gerade erst erfahren müssen, und entsprechend vorsichtig waren sie nun bei jedem Schritt. Es würde noch Tage, vielleicht Wochen oder gar Monate dauern, bis sich das Gestein wieder so weit beruhigt hatte, dass sie nicht befürchten mussten, bei der leichtesten Berührung neue Gerölllawinen auszulösen. Wenigstens verzogen sich nach und nach die Wolken, die bislang den Mond verdeckt hatten, sodass er genug Licht spendete, dass sie nicht mehr allein auf den Schein der Laterne angewiesen waren, um sich zu orientieren.
Mehr als eine Stunde verstrich ereignislos, bis die Priesterin plötzlich so abrupt stehen blieb, dass Thilus fast gegen sie geprallt wäre.
»Was ist los?«, erkundigte er sich alarmiert. Es dauerte mehrere Sekunden, bis er eine Antwort bekam.
»Da ist etwas«, stieß die Priesterin hervor und blickte sich in alle Richtungen um. »Ich … spüre etwas.«
Thilus zuckte erschrocken zusammen. Zwar waren die Kreaturen aus der Tiefe der Grund für ihre Wache und auch für diese Suche, dennoch hatte er freilich mit aller Inbrunst gehofft, dass ihre Vorsicht unnötig sein würde und es zu keinem Kampf mit diesem schrecklichsten aller Feinde käme.
»Dunkelelben?«
»Ich bin … nicht sicher. Die Ausstrahlung ist nur sehr schwach und …« Sie verstummte und zuckte die Schultern, lauschte noch einmal einen Moment in sich hinein und deutete dann nach rechts. »Es kommt von dort.«
Genau wie Dulon zog Thilus sein Schwert, auch wenn die Kletterei dadurch für ihn noch gefährlicher wurde, da es ihm im Notfall kaum gelingen würde, sich allein mit seiner verkrüppelten Linken irgendwo festzuhalten. Glücklicherweise war das Gelände an dieser Stelle jedoch einigermaßen eben, aber wenn der schlimmstmögliche Fall eintrat und sich Dunkelelben in der Nähe befinden sollten, die einen Weg an die Oberfläche gefunden hatten, wäre es völliger Wahnsinn, ihnen unbewaffnet gegenüberzutreten.
Sie überquerten ein von Geröll übersätes, mehrere Dutzend Meter durchmessendes Plateau, dann deutete die Priesterin auf einen der zahllosen Risse in der Felswand, gerade breit genug, dass ein Zwerg sich mit Mühe seitlich hindurchquetschen könnte.
»Was ich spüre, kommt von dort. Eine fremde Aura. Da ist …« Sie stockte einen Moment. »Etwas kommt rasch näher. Es ist da! «, fügte sie dann mit sich plötzlich fast überschlagender Stimme hinzu. Gleichzeitig presste sie ihre Fingerspitzen vor der Brust gegeneinander und murmelte dann einige fremdartige, kehlig klingende Wörter.
Inmitten der Dunkelheit der Felsöffnung schienen mit einem Mal Schatten zu wabern, dann löste sich eine nur als undeutlicher, finsterer Schemen erkennbare Gestalt daraus und raste wie ein schwarzer Blitz auf Thilus zu.
Im letzten Moment riss dieser sein Schwert in die Höhe und schaffte es, die Klinge zur Seite zu schlagen, die auf seine Brust zielte. Klirrend traf Stahl auf Stahl, glitt mit einem markdurchdringenden Kreischen aneinander entlang. Funken stoben auf. Die Wucht des Zusammenpralls trieb Thilus einen Schritt zurück, doch sofort fand er wieder festen Stand.
Neben ihm schrie Dulon auf. Zwar riss auch er sein Schwert hoch, ließ aber gleichzeitig vor Schreck die Laterne fallen. Glücklicherweise zerbrach sie beim Aufprall auf dem Boden nicht, sondern brannte weiter. Von der Großspurigkeit, mit der der junge Krieger Elan-Dhor vorhin noch notfalls bis zum Tod hatte verteidigen wollen, war nicht mehr viel übrig geblieben. Es war eben doch etwas anderes, als Teil starker Verteidigungsstreitkräfte auf einer massiven, hohen Mauer zu stehen und Speere und Brandsätze auf die als gesichtslose Masse heranbrandenden Dunkelelben zu schleudern, als im direkten Kampf einer der unheimlichen Kreaturen gegenüberzustehen, die überhaupt nur durch die magischen Kräfte der Priesterin wenigstens schemenhaft sichtbar geworden war.
Offenbar zu spät hatte der Dunkelelb erkannt, dass seine Unsichtbarkeit ihm keine Tarnung mehr bot und sein vermeintlicher Überraschungsangriff deshalb keiner mehr war, doch jetzt bewies er, dass er keineswegs allein auf feige Heimtücke angewiesen war. In einer unglaublich schnellen und präzisen Bewegung riss er sein Schwert herum, ließ es erst gegen Dulons Klinge krachen, dass diesem die Waffe fast aus der Hand geprellt worden wäre und er mehrere Schritte zurücktaumelte, dann führte der Elb aus der gleichen
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