Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwergenbann: Roman

Zwergenbann: Roman

Titel: Zwergenbann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Rehfeld
Vom Netzwerk:
etwas. Schweigend traten sie über den versteckten Pfad zwischen den Felsen in den Wald hinaus, und selbst nach Stunden, als sie sich schon viele Meilen von dem Tal entfernt hatten, sprach keiner von ihnen ein Wort.
     
     
    Malcorion führte sie tiefer und tiefer in den Wald hinein, und das auf Pfaden, die zumeist nur schmale Wildwechsel waren, teilweise
sogar überhaupt nicht zu erkennen. Dabei schlug er ein so scharfes Tempo an, dass die Zwerge größte Mühe hatten, ihm zu folgen. Sosehr sie sich auch bemühten, vorsichtig zu sein, peitschten ihnen dennoch immer wieder Zweige ins Gesicht, sie stolperten über aus der Erde ragende Wurzeln und blieben an irgendwelchen spitzen Astenden oder Dornen hängen oder streiften Nesseln und Disteln, die im Dickicht entlang des Pfades verborgen waren. Schon bald gerieten sie außer Atem, und wo sie ungeschützt war, war ihre Haut zerschunden und mit Kratzern übersät und juckte schier unerträglich.
    Lediglich Malcorion schien davon völlig unberührt zu bleiben. Nicht ohne Neid beobachtete Warlon, mit welcher Anmut sich der Waldläufer bewegte. Obwohl er ganz normal ging, schien sich sein Körper zu drehen und zu winden, sodass es den Anschein erweckte, als würde er selbst an noch so engen Stellen geschmeidig wie ein Schatten durch das Unterholz gleiten, ohne es auch nur zu berühren.
    Immer wieder musste Warlon ihn bitten, langsamer zu gehen oder gar auf sie zu warten. Zwar kam Malcorion seinen Bitten stillschweigend nach und verlangsamte seinen Schritt, doch meist wurde er bereits nach wenigen Minuten wieder schneller, und alles begann von vorne. Die ganze Zeit über sprach er kein einziges Wort.
    Warlon fragte sich, was mit ihm los war. Natürlich hatten die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Nacht den Waldläufer schwer mitgenommen, und es war mehr als verständlich, dass er an seiner Trauer litt und nicht gerade vor Lebensfreude übersprühte. Was Warlon jedoch nicht verstand, war die abweisende, fast schon feindselige Haltung, die Malcorion seit ihrem Aufbruch zeigte. Schon in der vergangenen Nacht, unmittelbar nach der Bluttat, war er völlig verzweifelt gewesen, aber da hatte er sich nicht zurückgezogen. Im Gegenteil, ihre Gegenwart schien ihm sogar Trost gespendet zu haben.
    Jetzt jedoch …

    Gerne hätte Warlon ihn gefragt, warum er sich so verhielt, doch dafür hätte er ihn erst einmal einholen müssen, was sich als praktisch unmöglich erwies. Genau wie Ailin und Lokin war er froh, wenn er nicht allzu weit hinter Malcorion zurückfiel. Zudem war der Marsch so anstrengend, dass er ohnehin keuchend nach Luft rang und sich den Atem lieber sparte.
    Meile um Meile quälten sie sich dahin, ohne dass sich die Umgebung veränderte. Das Einzige, was sie zu sehen bekamen, war das Grün und Braun des dicht wuchernden Unterholzes und das gleichfalls dichte, grüne Blätterdach hoch über ihren Köpfen. Und dazwischen natürlich Baumstämme jeglicher Form, Dicke und Beschaffenheit: Manche ragten gerade wie Säulen auf, andere wuchsen krumm und schräg und vielfach verästelt, manche waren schmal und manche gedrungen, manche mit glatter, wie poliert aussehender Rinde, andere knorrig und verwittert.
    Obwohl sie nun schon mehrere Tage an der Oberfläche unterwegs waren, war Warlon den Anblick so vieler Bäume nicht gewöhnt, und er glaubte auch nicht, dass er sich jemals daran würde gewöhnen können. Er mochte den Wald nicht; noch weniger als die manchmal geradezu unerträgliche Weite flachen, offenen Landes, die Wetterextreme oder die anderen Unbilden der Oberfläche, mit denen sie seit ihrem Aufbruch konfrontiert worden waren. Ein Blick in die Gesichter seiner Begleiter zeigte ihm, dass es ihnen ebenso erging. Zu ungewohnt und fremdartig, zu lebendig war diese Umgebung für Zwerge, die es gewohnt waren, inmitten von totem, kühlem Stein unter der Erde zu leben.
    Überall um sie herum ertönten Geräusche: das Rascheln des Windes in den Baumwipfeln, das Fallen vereinzelter Tautropfen, der Gesang unzähliger Vögel, das Huschen kleiner Tiere im Dickicht, die vor ihnen flohen, und unzählige andere Laute, die einzeln kaum wahrnehmbar waren, in ihrer Gesamtheit aber einen niemals verstummenden Geräuschteppich bildeten, der ihn irritierte. Mehr noch, er machte ihn nervös, und immer wieder ließen neue, ungewohnte Laute ihn erschrocken zusammenfahren.

    Warlon sehnte sich nach der Stille Elan-Dhors zurück, wo die einzigen Geräusche von Zwergen selbst verursacht

Weitere Kostenlose Bücher