Zwergenbann: Roman
Tharakol. Entsprechend hatte der wirtschaftliche Niedergang Elan-Dhors in den vergangenen Jahrhunderten auch Clairborn mit aller Macht getroffen. Längst schon blieben die einst fast täglich ankommenden Karawanen aus. Die früher so ergiebigen Minen Elan-Dhors waren nahezu erschöpft. Nur noch selten wurden kleinere Vorkommen an Edelsteinen, Gold, Silber oder anderen Edelmetallen entdeckt. Zu selten und mit zu geringer Ausbeute, als dass damit noch lukrativer Handel im großen Stil möglich gewesen wäre und Handelskarawanen aus fernen Gegenden hätten angelockt werden können. Was noch an Kohle, Erzen und sonstigen Rohstoffen gefördert werden konnte, wurde zum größten Teil von den Zwergen selbst benötigt.
Entsprechend war es nicht nur mit Elan-Dhor, sondern auch mit Clairborn seither beständig bergab gegangen, denn um aus eigener Kraft eine bedeutende Metropole zu bleiben, lag es einfach
zu weit abseits. Die meisten Leute waren weggezogen, und aus der Stadt war wieder ein unbedeutender kleiner Ort geworden. Viele Einwohner hatten nicht vergessen, wem sie dies zu verdanken hatten. Obwohl es nie zum Ausbruch offener Feindseligkeiten gekommen war, war das Verhältnis zu den Zwergen seither belastet.
Das allein erklärte jedoch längst noch nicht die aufgebrachte Stimmung, die ihnen an diesem Tag auf dem Markt entgegenschlug.
Vor zwei Tagen, gleich am Morgen nach dem Erdbeben, war Thilus von seinem Dienst in der Militärgarnison in die Stadt zurückbeordert worden, wo er von Barlok persönlich belobigt und in den Rang eines Kampfführers erhoben worden war. Völlig überraschend hatte man ihm außerdem heute das Kommando über die fünfköpfige Eskorte übertragen, die die Königin während ihres Aufenthalts in Clairborn beschützen sollte. Auch das war eine Auszeichnung und Belohnung dafür, dass er durch sein entschlossenes und selbstloses Handeln einen Ausbruch der Dunkelelben verhindert hatte, wie er vermutete. Die Zugehörigkeit zur Eskorte war äußerst begehrt, bildete ein Besuch auf dem Markt mit seinen vielen Sehenswürdigkeiten doch eine mehr als angenehme Abwechslung vom Alltag.
Ob es sich auch an diesem Tag wirklich um ein Vergnügen handeln würde, dessen war sich Thilus inzwischen jedoch nicht mehr sicher …
»Ich brauche nur zwei Säcke, aber ich bin bereit, Euch zwölf Heller pro Stück zu bezahlen«, ergriff der Clairborner Bäcker wieder das Wort. Ärger und Ungeduld schwangen in seiner Stimme mit. »Obwohl das Wucher ist. Vor zwei Monaten habt Ihr nur acht verlangt.«
Der Händler, ein selbst für einen Menschen großer und schlaksiger Kerl aus einer der umliegenden Ortschaften, wand sich sichtlich. Unsicher ließ er seinen Blick zwischen Tharlia und dem Bäcker hin und her huschen.
»Er braucht doch nur zwei Säcke und ist bereit, mehr dafür zu zahlen«, wandte er sich an die Zwergin. »Damit blieben immer noch achtundzwanzig Säcke für Euch.«
»Entweder alles oder nichts«, beharrte Tharlia und schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. Sie war eine außergewöhnlich schöne Frau. Im Gegensatz zu den breitflächigen und dadurch oft grobschlächtig wirkenden Gesichtern der meisten Zwerge war das ihre fein geschnitten, zudem war sie schlanker als die meisten anderen Zwergenfrauen, sodass sie ihre weibliche Wirkung auch auf menschliche Männer nicht verfehlte. »Wir müssen ein ganzes Volk versorgen und brauchen so viel, wie wir nur bekommen können. Verkauf mir deinen gesamten Vorrat und genieße den Rest des Tages, oder sieh zu, ob du auch deine übrigen Säcke an andere verschacherst.«
Thilus musste zugeben, dass sie bei den bisher getätigten Einkäufen großes Verhandlungsgeschick an den Tag gelegt hatte, obwohl er nach wie vor fand, dass es unter der Würde der Königin war, sich persönlich um solch banale Dinge zu kümmern. Selbst wenn es sich um eine Königin ohne Reich handelte, die mit ihrem gesamten Volk ins Exil geflohen war …
»Also gut, ich verkaufe Euch alles, was ich an Mehl habe«, lenkte der Händler ein, wenn auch widerstrebend. Verlockender als die zwei zusätzlichen Heller war für ihn offenbar die Aussicht, seinen gesamten Bestand auf einmal loszuwerden, statt den ganzen restlichen Tag an seinem Stand zu verbringen und möglicherweise trotzdem am Abend noch Restbestände übrig zu haben, die er entweder zu Schleuderpreisen verkaufen oder wieder mit nach Hause nehmen musste.
»Mögen die Dämonen Euch verschlingen«, knurrte der Bäcker voller Zorn und
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