Zwergenfluch: Roman
daneben stand.
Das Blöken der Luanen steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden, angsterfüllten Crescendo. Im nächsten Moment stürmte die gesamte Herde wie auf ein unhörbares
Kommando hin in wilder Panik vorwärts. Trotz des Lärms, den die Tiere verursachten, glaubte Toluran für einen Moment noch ein anderes Geräusch zu hören, etwas wie einen schrillen, ganz und gar fremdartigen Schrei, doch er achtete nicht weiter darauf.
Wie gelähmt starrte er der auf ihn zurasenden Herde entgegen. Als er seine Erstarrung endlich überwand und begriff, in welcher Gefahr er sich befand, war es bereits zu spät.
In ihrer blinden Panik nahmen die Tiere ihn überhaupt nicht wahr oder kümmerten sich zumindest nicht um das Hindernis. Wirbelnde Hufe trafen ihn und schleuderten ihn zu Boden. Die Luanen stampften über ihn hinweg, ihr Gewicht ließ seine Knochen brechen und zermalmte seinen Schädel.
Bevor er starb, war Tolurans letzter Gedanke, dass ausgerechnet die Tiere, denen er sein ganzes Leben gewidmet hatte, ihm nun den Tod brachten. Und er begriff nicht einmal, warum.
Nach langen, quälenden Grübeleien schlief Barlok irgendwann schließlich doch ein, aber es war kein sehr ruhiger Schlaf. Diesmal quälten ihn erneut Albträume, allerdings keine Todesvisionen vom Kampf gegen eine ihn zu verschlingen drohende Schwärze. Stattdessen peinigten ihn wirre und zusammenhanglose Bilder aus einer fremdartigen Welt, die zu bizarr war, als dass sein Verstand sie wirklich erfassen konnte. Es war eine Welt der Dunkelheit mit einem schwarzen Himmel ohne Sonne, Mond, Sterne oder wenigstens Lichtschächte, die diese bis zu einem gewissen Grad nachahmten. Dennoch handelte es sich nicht um die Tiefenwelt, zumindest nicht so, wie er sie kannte. Trotz der
Finsternis konnte er darin sehen, aber auf eine merkwürdig verzerrte Art, und was er erblickte, jagte ihm selbst im Traum Angst ein.
Mehrmals wachte er beinahe auf, doch kurz bevor sein Bewusstsein vollends wieder in die Realität zurückkehren konnte, erwies sich der Albtraum stets als stärker und umfing ihn erneut.
Und jedes Mal wurden die verschwommenen Eindrücke klarer, die Visionen deutlicher. Barlok sah schwarze Ströme, die keinesfalls aus Wasser bestanden und an deren Ufern sich namenlose Scheußlichkeiten tummelten. Auch an anderen Stellen gab es groteske Formen von Leben, doch es war so grauenhaft, dass er noch im Traum davor zurückschreckte und froh war, sie nicht deutlich sehen zu können.
Das Schlimmste aber war nicht einmal das, was sich innerhalb dieser Welt befand, sondern die Welt selbst. Es war ein Reich kriechenden Wahnsinns, das seinen Geist zerbrechen musste, wenn er es tatsächlich klar erblicken würde. Nichts schien hier so zu sein, wie es sein sollte. Alle Proportionen wirkten auf sinnverwirrende Art falsch , entweder gestaucht oder gezerrt oder gar auf völlig unmögliche Art gekrümmt. Ebene Flächen schienen in sich selbst verdreht zu sein, eckige Kanten wirkten zugleich rund und Rundungen eckig, verbunden durch Linien, die nebeneinanderher liefen und sich dennoch kreuzten. Das Schlimmste aber waren die Winkel. Viele von ihnen beschrieben mehr als einen ganzen Kreisdurchmesser, krümmten sich in eine Dimension, die weder die Augen noch der Geist zu erfassen vermochten, schienen sich zu bewegen und in Spiralen aufzulösen und …
Mit einem Schrei fuhr Barlok in die Höhe. Er war in
Schweiß gebadet, und sein Herz hämmerte, als wolle es aus seiner Brust brechen. Sein Mund war trocken und von einem ekligen Geschmack erfüllt, in seinem Kopf drehte sich alles. Schwaches Licht fiel durch das Fenster herein, und die nur undeutlich erkennbaren Umrisse des Zimmers schienen sich auch hier beständig zu verschieben. Nur allmählich begann sich sein aufgewühlter Verstand zu beruhigen und die Nachwirkungen des Albtraums abzustreifen, aber sein Puls hämmerte noch immer, und erst jetzt bemerkte Barlok, dass seine Hände zitterten.
Wie so oft bei Träumen, verflogen die Bilder nun immer rascher. Zurück blieben nur blasse, verschwommene Eindrücke, glattgeschliffen und zurechtgestutzt von seinem logisch arbeitenden Verstand, der es Barlok schwer machte, den Schrecken zu begreifen, der ihn zuvor erfüllt hatte. Dennoch verspürte er ihn noch immer, auch wenn er ebenfalls allmählich schwand.
Barlok wusste, dass er nicht wieder würde einschlafen können, auch wenn er sich jetzt zurücksinken ließ und erneut die Augen schloss. Vor allem wollte er es
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