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Zwergenfluch: Roman

Zwergenfluch: Roman

Titel: Zwergenfluch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Rehfeld
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können.
    Unerwartet wurde der Frieden jedoch gestört. In der Nähe des durch ein Gatter gesicherten Ausgangs der Höhle wurde die Herde merklich unruhiger. Die grasenden oder gemütlich vor sich hin dösenden Tiere, die gewöhnlich kaum etwas aus der Ruhe bringen konnte, hoben die flachen Köpfe, einige begannen durch die Nüstern zu schnauben.
    Toluran strich sich über den grauen Bart und runzelte die Stirn. Ein solches Verhalten der Luanen war ungewöhnlich, zumal es keinerlei erkennbaren Grund dafür gab. Irgendetwas mussten die Tiere mit ihren empfindlichen Sinnen jedoch wittern, sonst würden sie sich nicht so verhalten. Besser
er sah nach, das war schließlich seine Aufgabe. Ächzend erhob er sich von dem Felsen.
    Früher, in den Tagen des Überflusses, hatte Elan-Dhor seinen gesamten Bedarf an Lebensmitteln durch Handel mit den Menschen in den nicht allzu fernen Ortschaften an der Oberfläche gedeckt. Als die Zeiten jedoch härter geworden waren, hatte man begonnen, über Alternativen nachzudenken. So war gegen sich zunächst heftig regenden Widerstand beschlossen worden, die Pläne für eine Bebauung der Hellhöhlen im Westteil der Stadt aufzugeben und stattdessen dort selbst Nahrungsmittel anzubauen.
    Die Hellhöhlen trugen ihren Namen, weil es dort nicht nur äußerst üppig wucherndes Glühmoos, sondern auch besonders viele bis zur Oberfläche reichende Lichtschächte gab. Außerdem war das Deckengestein so beschaffen, dass sich ohne allzu große Mühe oder die Gefahr eines Einsturzes noch zahlreiche weitere hinzufügen ließen. Einige der besonders einflussreichen Häuser der Stadt hatten deshalb vorgehabt, sich dort neue Anwesen zu errichten, was durch die neuen Pläne verhindert worden war. Aber wenn überhaupt, dann gediehen Pflanzen nur hier.
    Weitere Schächte zur Oberfläche waren geschaffen worden, und das einfallende Tageslicht war durch Linsen und Spiegel verstärkt worden. In langer, mühevoller Arbeit hatte man Tonnen von fruchtbarer Erde in die Höhlen geschafft und aus einer unterirdischen Quelle gespeiste Bewässerungsgräben angelegt, ehe man mit der Hilfe von menschlichen Bauern damit begonnen hatte, verschiedene besonders anspruchslose Getreidesorten anzupflanzen. Einige wenige gediehen tatsächlich sogar unter den widrigen Bedingungen und bildeten seither den Grundstein für die eigenständige Versorgung Elan-Dhors.

    Lediglich in einer der Höhlen - der, in der sich Toluran gegenwärtig befand - war der Anbau misslungen, da die Pflanzen trotz aller Bemühungen offenbar nicht genügend Licht bekamen. Nur Moose und Steingras wucherten hier üppig, was die Idee aufbrachte, den Getreideanbau durch Viehzucht zu ergänzen, zumal Zwerge ohnehin schon immer eine Vorliebe für saftiges, gut abgehangenes Fleisch gehabt hatten. Luanen erwiesen sich als die am besten geeigneten Nutztiere. Mit ihrer gedrungenen Gestalt, den kurzen, stummeligen Beinen und dem flachen Schädel mit den langen, herabhängenden Ohren und den hervorquellenden Augen handelte es sich zwar um äußerst hässliche Tiere - dafür benötigten sie jedoch nur wenig Licht, gaben Milch für den Zwergennachwuchs, und ihr Fleisch war äußerst wohlschmeckend. Darüber hinaus ließ sich ihr zottiges graues Fell gut scheren und zu Kleidung verarbeiten oder als Kissenfüllung verwenden. Es wuchs rasch nach, und nach dem Schlachten der Tiere konnte man die Haut zu hochwertigem Leder gerben.
    Abgesehen von ihrem unvergleichlichen Nutzen für das gesamte Zwergenvolk, stellten die Luanen ganz besonders für Toluran ein Geschenk der Göttin dar, für das er zutiefst dankbar war. Gewöhnlich waren alle Aufgaben, die mit der Produktion und Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln zusammenhingen, den Frauen vorbehalten, doch für ihn hatte man eine Ausnahme gemacht, und der Erfolg gab ihm Recht. Niemand konnte mit den Luanen so gut umgehen wie er. Bei niemandem sonst gaben sie so viel Milch oder hielten beim Scheren so still wie bei ihm. Selbst wenn sie zum Schlachthaus geführt wurden und spürten, dass ihnen etwas Schlimmes bevorstand, verhielten sie sich ruhiger, wenn er in der Nähe war.

    Jetzt jedoch konnte davon keine Rede sein. Ganz im Gegenteil, die Unruhe der Herde verstärkte sich und breitete sich aus. Die Tiere trotteten vom Ausgang weg in den hinteren Teil der Höhle.
    Toluran ging auf eine besonders nervöse Luane zu und wollte ihr beruhigend über die Nüstern streichen, wie er es oft tat.
    Das Tier schnappte nach ihm.
    Vor

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