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Zwergenfluch: Roman

Zwergenfluch: Roman

Titel: Zwergenfluch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Rehfeld
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hauptsächlich aus an- und abschwellenden Tönen bestand. Er erinnerte Barlok an den Singsang, den er vorletzte Nacht während seiner Todesvisionen gehört hatte.

    Ein intensiver Geruch von Räucherwerk schwängerte die Luft und legte sich schwer auf die Lungen.
    Wieder zögerte Barlok, näher heranzugehen, doch abermals siegte seine Neugier über die Furcht. Was er sah, faszinierte ihn. Noch niemals war es seines Wissens einem Außenstehenden gestattet worden, die geheimen Riten der Hexen zu beobachten. Auch er war jetzt vermutlich nur hier, weil Tharlia und die anderen so intensiv in ihr Tun vertieft waren, dass seine Gegenwart ihnen nicht auffiel. Was immer es war, es musste ungeheuer wichtig sein.
    Aber nicht nur Faszination und Neugier ließen Barlok in der Tempelhalle verweilen, sondern in erster Linie das, was Tharlia zuletzt gesagt hatte.Wenn sie von Ailin sprach, dann auch von Warlon und der Expedition - und ihre Worte hatten finsterste Befürchtungen in ihm geweckt. Anscheinend handelte es sich bei ihrem Gerede über die Verbundenheit der Priesterinnen untereinander tatsächlich nicht nur um leere Worte. Wenn dies aber stimmte und sie wirklich etwas von dem sah oder spürte, was diese Ailin momentan erlebte, dann musste auch er unbedingt so schnell wie möglich etwas darüber erfahren.
    Gebannt beobachtete er, was weiter geschah. Eine Art Nebel, der schwach aus sich selbst heraus leuchtete, bildete sich über dem Altar, wirbelte durcheinander und wogte im Rhythmus des Gesangs unstet hin und her, als versuche er, eine bestimmte Form anzunehmen. Dabei bildete er armdicke Auswüchse, die immer länger wurden und nach den Priesterinnen tasteten, bis sie ihre Köpfe berührten.
    Barlok keuchte, konnte kaum glauben, was er sah. Er blinzelte ein paarmal, aber das Bild blieb. Bislang hatte er stets geglaubt, die Gerüchte über die angeblichen Zauberkräfte
der Priesterinnen wären entweder zur Gänze erfunden oder zumindest hemmungslos übertrieben, möglicherweise sogar heimlich von den Hexen selbst in die Welt gesetzt, um den Glauben an Li’thil zu festigen und den Einfluss ihres zahlenmäßig nur kleinen Ordens zu stärken. Was er jetzt jedoch mit eigenen Augen sah …
    Aber sah er es überhaupt wirklich? Das Räucherwerk begann in seinen Augen zu brennen und verursachte einen dumpfen Druck in seinem Kopf, sodass Barlok das Denken schwer fiel. Ihm wurde schwindlig, und er glaubte zunächst, er hätte sich überanstrengt und würde einen Rückfall erleiden, doch dann wurde ihm bewusst, dass es sich nur um eine geistige Benommenheit handelte, nicht um körperliche Schwäche.
    Er blinzelte erneut und kniff die Augen zusammen. Obwohl er überzeugt war, sie nur einen Moment lang geschlossen zu haben, musste mehr Zeit vergangen sein, denn ohne dass er es gemerkt hatte, war der Gesang verstummt, und Tharlia stand direkt vor ihm.
    Barlok wich einen Schritt zurück, erschrocken nicht nur über ihr unerwartetes Erscheinen, sondern auch darüber, wie sie aussah. Ihre Augen blickten trüb, waren blutunterlaufen und von dunklen Schatten unterlegt, die zuvor noch makellose Haut ihres Gesichts wirkte fleckig und war von tiefen Falten durchzogen. Sie sah aus, als wäre sie binnen weniger Minuten um Jahrzehnte gealtert.
    »Du hast uns nachspioniert«, sagte sie mit brüchiger Stimme. In ihren Augen blitzte ein zorniges Funkeln auf, erlosch aber sofort wieder. Barlok zweifelte nicht daran, dass sie ihn voller Wut angebrüllt hätte, wäre sie nicht so matt und kraftlos gewesen.
    Rasch blickte er sich um. Weder von der nebelhaften Erscheinung
noch von den anderen Priesterinnen war etwas zu entdecken.
    »Was ist mit dir passiert?«, stieß er hervor, ohne auf ihren Vorwurf einzugehen. »Du... du siehst...«
    »Nur eine vorübergehende Schwäche«, behauptete Tharlia. Ihre Lippen waren welk wie die einer Greisin. »Ailin … sie war in Gefahr. Wir haben ihr etwas von unserer Kraft gegeben, um die ihre zu verstärken. Aber es war unglaublich schwer über die große Entfernung hinweg. Und es kostete einen hohen Preis.« Mit faltigen Händen strich sie über die Runzeln in ihrem Gesicht.
    »Ich habe eine Art nebliger Erscheinung über dem Altar gesehen. Was, bei Li’thil, war das?«
    »Nur eine Einbildung«, versicherte Tharlia rasch, eine Spur zu schnell, um wirklich glaubhaft zu klingen. »Verbunden mit dem Räucherwerk können unsere Beschwörungen Trugbilder hervorrufen, denen du wohl auch zum Opfer gefallen bist. Du hättest

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